Nexus - Band 1
Quarantäne… irgend etwas war dort draußen geschehen - und umso schneller musste sie hier raus! Denk nach, Mädchen, denk nach! Mit zusammengepressten Lippen forschte ihr Geist fieberhaft in den dunklen Weiten ihrer Erinnerung an eine Vergangenheit, deren gesammelter Umfang ihr schon oft, mit jedem Monat ihres neuen Lebens der verstrich, immer mehr so erschienen war, als wären es schlichtweg ungewollt projizierte Überbleibsel einer anderen Person. Nein… die Ausbildung an der Akademie… all die Jahre an Bord so vieler Schiffe - sie waren viel mehr als bloße Bilder und Erlebnisse einer zurückgelassenen, ausgemusterten Version ihres Selbst. Sie existierten noch immer - und das als Teil des Menschen der sie war… jetzt, in der Vergangenheit und Zukunft. Ein kleines Lächeln verblasste so schnell wie es gekommen war, als sich Kimberly plötzlich und unvermittelt an das Gesicht eines alten Kameraden erinnerte… eines Freundes, dessen Name trotz der vielen schönen Momente die mit ihm verbunden waren, in diesem Moment kein Anrecht auf Bedeutung besaß. Nichts durfte sein Abbild sein, als eine Hülle - ein Medium für all jene Fähigkeiten und Kenntnisse, mit denen er vor langer Zeit immer wieder versucht hatte, das Desinteresse einer jungen, gelangweilten Navigatorenanwärterin zu bezwingen… aus Gründen die nunmehr ebenso tief und vergessen in seinem kalten Sternengrab mit ihm schliefen wie er selbst.
Und plötzlich, wie von der ätherischen Hand eines wohlwollenden Gottes berührt, die den Schleier ihrer sterblichen begrenzten Horizonte von ihr nahm, erstreckte sich die gesamte Bandbreite eines längst verloren geglaubten Wissens mit photographischer Klarheit vor Kimberly Taylors Geist, bewegte ihre Lippen stumm in der Sprache eines anderen. Das einfachste, und gleichzeitig beste Instrument des Eingeweihten… tief versteckt in den Basiscodes der Sicherheitsroutinen massenproduzierter, standardisierter militärischer Softwarestrukturen… ein Weg, ein Geheimnis… eine Hintertür, weiterhin unentdeckt präsent in den zahllosen älteren Versionen die ihren Weg unmodifiziert in den zivilen Einsatz gefunden hatten. Die Kombination zu einem Safe… immer und überall verfügbar. Keine Zahlen, keine Daten… keine codierten Zeichenfolgen… nur Positionen… Berührungen auf einem sensorischen Schirm. Ganz einfach… wenn man nur weiß wie. Sieh hin… probier es selbst.
Wie auf das Zeichen ihres eigenen, mechanisch-entrückten Nickens, losgelöst, ruhig und unbewegt tastete Kimberlys Augenlicht suchend über die versteckten Bilder ihrer Erinnerungen, leitete die Bewegungen ihrer Hand schnell, rhythmisch und präzise über die Verkleidung des Monitors ohne sie wirklich zu sehen… bis sich sein roter Schein schließlich widerstandslos ergab, und die warmen Farben der entsicherten Schnittstelle ihr Gesicht erleuchteten, den Bann ihrer Trance übergangslos zerbrachen.
Kimberly blinzelte, fokussierte ihren Verstand mit reflexartiger Schärfe zurück auf die vor ihr liegende Realität, trennte seine Verbindung von der Flut an Wissen und Informationen, die mit immer größerer Wucht begonnen hatte auf ihn herabzustürzen. Es… es hatte tatsächlich funktioniert. Was passierte nur mit ihr… sie fühlte sich so… nein - dafür war keine Zeit. Alles was in diesem Augenblick zählte lag hier, direkt vor ihr. Einen leisen Laut des Triumphes unterdrückend, ernst, jedoch mit erleichtertem Herzen instruierte Kimberly das Programm mit einigen zaghaften ersten Befehlen, zuckte überrascht zurück als sie die ersten Rückmeldungen überflog, nur um sie gleich darauf mit einer ungläubigen, schnellen Folge von Eingaben und gerunzelter Stirn abermals zu überprüfen. Der KI-Kern, das Steuerzentrum und Gehirn des Adlers reagierte nicht… aber die Systemanalysen zeigten keinerlei interne oder externe Schäden, die… nein, so wie es aussah war er definitiv abgeschaltet worden… und eine externe Quelle war noch immer dabei, laufend Daten an die verbliebenen Subsysteme zu senden.
Jemand kontrollierte das Schiff von außen - aber wer? Waren es nur Piraten… ein unglücklicher Zufall, oder hatte das Syndikat sie am Ende…? Schluss damit. Kimberly atmete schwer und schüttelte ihren Kopf in stiller Disziplin. Wenn nichts anderes, dann war es die Klarheit ihres Geistes, welche die bösartigen Omen, Konsequenzen und Szenarien ihrer hyperaktiven Fantasie vertreiben konnte und musste… Angst und Unsicherheit, die noch immer
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