Nexus - Band 1
neben den beiden Leichen nieder. Längst hatte das aus der Stichwunde in seinem Bauch sickernde Blut begonnen, sich mit dem übel riechenden See um Hansons hünenhafte, gefallene Gestalt herum zu vermischen, noch zusätzlich unaufhörlich weiter gespeist aus so vielen, grausig offen klaffenden Wunden, wie sie sonst nur von den rasenden Krallenhieben einer tollwütigen Bestie hätten stammen können. Niemand wie er sollte auf diese Weise sterben.
Tom hätte wohl so etwas wie Abscheu oder Ekel empfinden müssen, zumindest Furcht im Angesicht seines eigenen, nahenden Endes - aber solche und viele andere Gefühle lagen soeben hinter ihm. Selbst die überwältigende Stoßwelle schmerzhafter Trauer, als er sich zu Katarinas Überresten wandte, dem aschgrauen Zerrbild aus nächster Nähe gewahr wurde, das aus ihrer ehemals blühenden Lebendigkeit geworden war… sie war nichts weiter als ein dumpfes Pochen, das sinnlos um Beachtung ringend gegen eine betäubte Wahrnehmung brandete. Trotzdem konnte Tom seinen Blick lange nicht von ihr wenden. Welche pervertierte Form eines denkenden Geistes war nötig, um einem Menschen so etwas anzutun? Selbst nach dem Tod ihres Wirtes versuchten die viral infizierten Zellen noch immer, sich des letzten Funkens an Lebenskraft zu bemächtigen das in dieser geschundenen Hülle wohnte - ließen Arme, Beine und Finger in schwachen Zucken um das Überleben kämpfen. Aber es war sinnlos. Das was von Katarina Dresslers Persönlichkeit noch übrig gewesen war, wurde durch den thermalen Schock des Laserstrahls, der ihre Stirnplatte und die darunterliegenden, frontalen Hirnlappen verdampfte, augenblicklich ausgelöscht.
Und Tom war dankbar dafür. Egal welcher innere Zwist sie dazu getrieben hatte, sich freiwillig in die Arme des Syndikats zu begeben… Katarina Dresslers gemarterte Seele konnte jetzt in Frieden ruhen. Tom war sich klar dass er sie für ihre Taten hassen sollte… aber anders als den anderen Verrätern, die für all dies die Verantwortung trugen, hatte er ihr längst vergeben. Wie konnte er es anders tun - traf ihn doch womöglich die größte aller Schuld. Irgendwie hätte er es alles erkennen… für sie da sein müssen…
Aber dafür… war es lange schon zu spät. Genauso… wie vielleicht schon für ihn selbst. Durch seine stetig weiter ausblutende Kraft schwer beeinträchtigt sackte Tom für einige Sekunden in sich zusammen, gerade noch abgefangen von einer reflexartig stützenden Hand. Es brauchte ungezählte, weitere Momente des schweren, heiseren Ringens um das immer kostbarere Gut sich verflüchtigenden Sauerstoffs, bis er mehr aus einem sturen Überlebensreflex heraus nach der kleinen Ansammlung von Vorräten griff, die Hanson neben dem Notstromgenerator der die Umgebung mit Licht beschenkte, verstaut hatte. Die Stichwunde in seinem Bauch hatte wieder begonnen heftiger zu bluten und spülte wahrscheinlich gerade die letzten Nanobots aus ihrem Wirkungsbereich hinaus, denen bis jetzt zumindest eine gewisse Gerinnung zu verdanken gewesen war. Tom stürzte den letzten Rest medizinischer Flüssigkeit aus der Feldflasche hinunter und setzte sich eine zweite Injektion Nanomeds, von der er jetzt schon wusste dass sie ihm bestenfalls eine weitere, halbe Stunde verschaffen würde, ehe sein Kreislauf endgültig unter dem Blutverlust… oder ganz allein der immer eisigeren Kälte zusammenbrach. Ein kleines Universalmesser das er an der Seite des Captains fand half ihm anschließend dabei, aus Hansons Uniformjacke einen notdürftigen Verband herauszuschneiden, den Tom mit schwindelndem Gleichgewicht und zitternden Händen fest um die vollkommen blutbesudelte Front seiner Taille band.
Nichts wäre ihm in diesem Moment einfacher gefallen, als einfach zu kapitulieren. Dem sanften Drängen der Müdigkeit nachzugeben, die bleiernen Gewichte seiner Glieder fallenzulassen und darauf zu warten, dass die Dunkelheit kam, um sich zur Umarmung ihres eisigen Bruders zu gesellen, der schon lange nicht mehr von Toms Seite gewichen war. Aber selbst wenn der unbeugsame Überlebenswille seiner genetischen Programmierung nicht gewesen wäre, der schon ganz allein reichte um ihn immer weiter vorwärts zu treiben - existierte für Tom Parker sogar noch mehr als der Ruf der Pflicht, dem er sich verbunden fühlte um niemals aufzugeben. Er konnte nicht zulassen dass sich der Mantel des Vergessens über die Wahrheit legte, die heute so vielen seiner Brüder und Schwestern das Leben gekostet hatte. Die
Weitere Kostenlose Bücher