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Nibelungen 01 - Der Rabengott

Nibelungen 01 - Der Rabengott

Titel: Nibelungen 01 - Der Rabengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sacken, polterte aufs Deck. Gerade noch rechtzeitig, denn im selben Augenblick krachte das Boot zurück nach unten. Die Bewegung hätte ihn rückwärts ins Wasser geschleudert.
    Benommen kämpfte sich der Junge auf Hände und Knie. Im Prasseln der Gischt, die ihm wie Hagel ins Gesicht schlug, schaute er sich um. Das Boot war nicht breit, fünf Schritte vielleicht. Der Bug war erhöht, dort führte eine Falltür unter Deck. Der Riegel hatte sich gelöst, die Klappe schlug bei jeder Woge auf und zu, auf und zu…
    Er hatte sich nicht getäuscht. Das Deck war verlassen.
    Ihm fiel ein, daß sein Bruder ihn hinter der Reling nicht sehen konnte und sich bestimmt schon Sorgen machte – vor allem um sein eigenes Sitzfleisch, denn falls dem Jungen etwas zustieß, würde die Strafe des Vaters zweifellos seinen Bruder treffen.
    Abermals zog er sich an der Reling empor, diesmal an der Innenseite. Ein eisiger Wasserschwall klatschte in sein Gesicht. Täuschte er sich, oder war der Wind stärker, die Strömung noch schneller geworden? Hatte der Fluß auch vorhin schon mit solcher Wut am Rumpf gerissen?
    Er erhaschte einen Blick aufs Ufer, ehe ihn die nächste Woge traf. Sein Bruder gestikulierte wild mit beiden Armen, schrie irgend etwas hinaus in das Donnern der Brandung.
    Der Junge entdeckte, was er meinte, als er hinab auf die Oberfläche blickte.
    Der Birkenstamm war verschwunden. Er mußte sich aus der Verkeilung gelöst haben, war vom Strom davongerissen worden. Es gab keine Verbindung mehr zum Ufer.
    Eine eiskalte Faust legte sich um sein Herz. Seine Knie erbebten, seine Finger wollten sich zitternd von der Reling lösen. Panik griff nach seinem Denken. Er war allein hier draußen, dem Fluß und dem Sturm hilflos ausgeliefert, ohne Hoffnung auf –
    Ein Knirschen riß ihn aus seiner Erstarrung. Holz knarrte lautstark, kreischte auf wie ein kleines Kind. Etwas brach und zerbarst. Gleichzeitig wurde das Wrack herumgeschleudert, schwenkte blitzschnell in die Strömung, löste sich aus der Umklammerung der Baumkrone.
    Der Junge sah gerade noch durch einen Schleier aus Tränen und Rheinwasser, wie sein Bruder und das Ufer davonrasten. Dann begriff er, daß er selbst es war, der sich entfernte! Das Boot trieb flußabwärts davon!
    Er verlor seinen Halt, polterte quer über Deck und schlug gegen die Reling auf der anderen Seite. Eine Ruderbank bremste seinen Sturz unsanft mit einer scharfen Kante. Einen Moment lang sah er nur Funken, die vor seinen Augen auseinanderstoben. Ein Gewitter aus Schmerz und Verzweiflung donnerte durch seinen Schädel.
    Irgendwie gelang es ihm trotzdem, neuen Halt zu finden. Mühsam zog er sich an der Holzbank entlang zur Reling, blickte darüber hinweg. Durch Gischtschleier sah er das Westufer des Stroms, grau und farblos im Mondenschein. Als er sich umsah, erkannte er hoch über dem gegenüberliegenden Ufer auch die erleuchteten Fenster der Burg. Sie wurden mit erschreckender Geschwindigkeit kleiner. Sein Bruder war nicht mehr zu sehen, ebensowenig die Stelle, an der das Wrack festgesessen hatte.
    Das Wrack trieb in der Mitte des Stroms. Der Fluß war durch das Hochwasser mehr als doppelt so breit wie sonst. Unmöglich, von hier aus an Land zu schwimmen.
    Das Boot wird irgendwann zerschellen, durchfuhr es den Jungen. Er ahnte, daß das auch sein eigenes Ende sein würde.
    Ein gutes hatte die rasende Fahrt den Strom hinunter: Das entsetzliche Auf- und Abwippen des Wracks hatte aufgehört, nicht gänzlich, aber doch soweit, daß nicht in jedem Augenblick die Gefahr bestand, über Bord geschleudert zu werden. Und so lange sich das Boot in der Flußmitte hielt, konnte es auch an keinen Felsen zerschmettern.
    Gleichzeitig aber entfernte sich der Junge weiter und weiter von zu Hause. Nun peinigte ihn nicht nur die Angst zu sterben, auch die Furcht vor der Fremde überkam ihn.
    Er war hilflos, der dämonischen Gewalt des Flusses und den knarrenden Planken unter seinen Füßen vollkommen ausgeliefert.
    Ich werde ganz sicher sterben, dachte er mit kühler Klarheit, nicht heldenhaft von der Hand eines Feindes, sondern jämmerlich ersäuft durch meine eigene Schuld!
    Ihm war, als raste er die halbe Nacht dahin, vor- und zurückgeschleudert, durchgeschüttelt, frierend, in Todesangst. Und er würde nicht einmal erfahren, was sich unter Deck befand. Hatte er dafür nicht überhaupt erst sein Leben aufs Spiel gesetzt? Einige Herzschläge lang spielte er mit dem waghalsigen Gedanken, die Reling loszulassen und sich

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