Nibelungen 07 - Das Zauberband
Kriegerin war eine Frau nach seinem Geschmack. »Wie Ihr wollt, Streiterin!« Er reichte ihr die Hand, und sie schwang sich hinter ihn auf die Stute.
»Wir müssen hier entlang«, sagte sie und deutete wieder auf das Dornengestrüpp.
Norwin trieb die Stute vorwärts.
»Sonderbar«, sagte Norwin, nachdem sie eine Weile schweigend Inmees Fährte gefolgt waren. Er sprang von dem Rücken des Pferdes herab und untersuchte den Waldboden genauer. »Es sieht aus, als hätte Inmees Stute etwas hinter sich hergezogen. Anfangs dachte ich, es wäre vielleicht ein Zufall gewesen, daß die Äste der Sträucher abgebrochen sind, doch hier sieht man deutliche Schleifspuren. «
»Ja«, erklärte die Kriegerin. »Die Stute zieht Inmee hinter sich her. Nach dem Kampf konnte sich die Priesterin nicht mehr auf den Rücken des Pferdes schwingen. Als die Stute losgaloppierte, zog sie Inmee mit sich.«
»Wollt Ihr etwa behaupten, daß die Hohepriesterin der schwarzen Göttin in einem Kampf mit Euch so verletzt wurde, daß sie sich nicht mehr auf das Pferd schwingen konnte?«
Die Fremde nickte ernst.
Norwin schüttelte den Kopf und stieg wieder auf das Pferd.
»Ihr müßt über außergewöhnliche Kräfte verfügen!« Besorgt fragte er sich, welches Dämonenweib da hinter ihm auf dem Pferd saß. Ein wenig langsamer als zuvor folgte er der Fährte. Wenn dieses Kriegermädchen es wagte, den Kampf mit der Hohenpriesterin aufzunehmen und ihn offenbar auch noch gewann, konnte es nur heißen, daß sie über noch größere Macht verfügte, als er sich in seinen Träumen vorstellen konnte. Vielleicht war ihre Kriegertracht nichts anderes als eine Tarnung, um Fremde zu täuschen. Er schnaufte. Er haßte die Magie.
»Ist Euch nicht wohl?« Die Stimme hinter ihm klang ehrlich besorgt.
»Es ist alles in Ordnung!« erwiderte Norwin und nahm sich vor, nicht zu viele Fragen zu stellen.
»Macht Euch keine Sorgen.« Die Frau legte ihm eine sanfte Hand auf die Schulter. Sie fühlte sich warm an, auch das war anderes als bei Inmee. »Die Göttin ist mit uns.«
Norwin gab einen schnaufenden Laut von sich. Vielleicht muß ich wirklich darauf vertrauen, dachte er.
»Seht dort!« Die Fremde hinter ihm deutete auf die weiße Stute der Priesterin, die in einiger Entfernung auf dem Boden lag.
»Wir haben sie gefunden!« Ehe er sich versah, war die Frau hinter ihm vom Pferd gesprungen und auf die Stute zugelaufen. Norwin schaute sich um. Er fürchtete eine Falle. Es sah Inmee ähnlich, für einen Sieg ihre eigene Stute zu opfern.
Nur langsam folgte er der Kriegerin. Als er sie erreichte, sah er, daß sie angewidert fortschaute.
»Das Pferd ist tot, nicht wahr?« fragte er und ließ sich auf den Boden gleiten. Mit wenigen Schritten war er neben der Fremden.
Inmee hatte dem Tier offenbar in die Kehle gebissen und das Blut getrunken. Das Pferd bot einen entsetzlichen Anblick.
»Ihr müßt sie schwer verletzt haben, wenn sie das Blut ihrer eigenen Stute trinkt«, bemerkte Norwin. »Aber das bedeutet auch, daß sie nun wieder über ihre Kräfte verfügt.«
»So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen«, sagte die Kriegerin, als habe sie seine Worte überhaupt nicht gehört, und kniete neben dem Kopf der Stute nieder. »Wie kann jemand mit einem Tier so grausam umgehen?«
Norwin sah, wie die junge Frau dem weißen Pferd über den blutigen Kopf streichelte und die weit geöffneten Augen des gepeinigten Tieres schloß. Anscheinend hatte sie nicht viel Erfahrung mit Inmee, sonst würde sie sich über solch düstere Rituale nicht wundern. Die Schwertmaid wurde ihm immer unheimlicher.
»Wir sollten weiterreiten«, mahnte er.
»Einen Augenblick noch«, bat die Fremde und begann, ein Lied zu singen.
Einen Herzschlag lang fuhr Norwin die nackte Angst in die Glieder. Er hatte es geahnt, dies war wieder so ein Dämonenweib. Er erinnerte sich an Inmees Gesang und an die schmerzhaften Folgen. Soweit wollte er es nicht mehr kommen lassen und griff entschlossen zu seiner Klinge. Schon wollte er ausholen, um der Fremden den Kopf abzuschlagen, als ihn irgend etwas zögern ließ.
Es war kein Zauber, den die Fremde über ihn legte. Sie schien ihn überhaupt nicht zu beachten. Sie sang wirklich allein für das tote Pferd. Die Melodie des Liedes klang weich und lieblich. Norwin hielt inne und lauschte. Als die Frau endete, war ihm, als wäre ein Stück Frieden um ihn herum erwacht. Der grausame Tod von Inmees Stute schien plötzlich weit fort zu sein.
»Die
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