Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
seine Nase mit einer Gurke verglichen. Eine Frechheit! Sie war vielleicht groß, aber grün war sie nicht! Und überhaupt … Hieß es nicht, an der Nase eines Mannes erkennt man den Johannes? Der junge Ritter blickte verstohlen zum Spielmann und grinste. Wenn das auf alle Männer zutraf, dann konnte er nicht begreifen, was die Frauen an Volker fanden. Die Nase seines Gefährten war gerade und von edler Form, doch alles andere als groß. Wieder einmal merkte der Spielmann nicht, daß Golo zu ihm herüberblickte. Volker hatte sich in let z ter Zeit sehr verändert. Golo hatte schon vor zwei Wochen g e spürt, daß er den Entschluß gefaßt haben mußte, die König s burg zu verlassen. Nicht daß er davon gesprochen hätte, doch der junge Ritter kannte seinen früheren Herren zu gut, um nicht zu bemerken, wie sich der Blick des Barden wandelte. Selbst wenn man direkt vor ihm stand und mit ihm sprach, schien er durch einen hindurchzusehen. Oft hatte Volker abends auf dem Söller gestanden und nach Westen geblickt, dorthin, wo Hunderte Meilen entfernt die Sümpfe Aquitaniens lagen. Dort hatte sich die Spur der Priesterin verloren. Golo wußte nur aus Volkers Erzählungen, was mit der Morrigan g e schehen war, als der Bischof von Saintes die verborgene Stadt in den Sümpfen eroberte. Die Priesterin war tödlich verletzt gewesen, als ihre Getreuen sie in einem kleinen Boot tiefer in die Sümpfe gebracht hatten. Wahrscheinlich wollten ihre A n hänger verhindern, daß der Leichnam der Hohen Priesterin dem Bischof und seinen Söldnern in die Hände fiel.
Viele Wochen lang hatte er damals gemeinsam mit Volker nach der Insel in den Sümpfen gesucht, zu der die letzten aus dem Nachtvolk fliehen wollten. Doch all ihre Mühen waren vergebens gewesen. Vermutlich hatten die Getreuen der Morr i gan die Leiche ihrer Hohepriesterin in den dunklen Fluten ve r senkt und sich danach in alle Winde zerstreut.
Für Volker aber lebte die Priesterin noch. Er war wie besessen von der Vorstellung, daß er sie wiederfinden würde. Hätte der fremde Barde nicht die Geschichte vom Feuervogel erzählt, dann wären sie jetzt wahrscheinlich auf dem Weg nach Aquit a nien … Golo lächelte versonnen. So gesehen sollte er dem Mann sogar dankbar sein. Alles war besser, als den Spätsommer in den mückenverseuchten Sümpfen zu verbringen.
Im Grunde war Golo froh, Worms verlassen zu haben. Auf der Königsburg hatte er sich nicht mehr recht wohl gefühlt, seit sie im Winter aus Aquitanien zurückgekehrt waren. Er war vom Knecht zum Ritter geworden, doch die anderen Ritter bei Hof betrachteten ihn nicht als ihresgleichen und ließen es ihn überdeutlich spüren …
Golo seufzte. Die Zeiten, daß er sich des Nachts mit leerem Bauch zu Ruhe legen mußte, waren vorbei. Er durfte wie die Adligen und Lehnsmänner an der Tafel des Königs sitzen und ein Schwert an seiner Seite tragen. Der Preis dafür war Einsa m keit. Nur Volker behandelte ihn anständig. Die anderen mac h ten hinter vorgehaltener Hand Späße über ihn und nannten ihn heimlich noch immer einen Knecht. Und die Freunde, die er einst unter dem Gesinde gehabt hatte, behandelten ihn je nach ihrem Charakter höflich oder unterwürfig. Doch spürte er bei allen den Neid. Ein Weg, wie er ihn gegangen war, stand den Unfreien nicht zu. Kein Bauerssohn und Knecht war jemals zu einem Gefolgsmann des Burgundenkönigs aufgestiegen. Hei m lich tuschelte man darüber, auf welch hinterhältige Art er sich wohl die goldenen Sporen der Ritterschaft verdient haben mochte.
Golo stieß seiner Stute die Hacken in die Flanken und schloß dichter zu Volker auf, der jetzt ein kleines Stück vor ihm ritt. Selbst mit einem Verrücktem einem Vogel nachzujagen, der nur im Kopf eines Märchenerzählers existierte, war besser, als lä n ger auf der Königsburg zu verweilen. Das Wetter war ihnen gnädig, und die Reise am Rhein entlang war ohne nennenswe r te Zwischenfälle verlaufen.
Wieder blickte der junge Ritter zum Spielmann hinüber. Vo l kers Gesicht war wie versteinert. Schweigend folgten sie dem Treidelpfad am Ufer. Seit zwei Tagen ritten sie nun schon durch das Frankenland. Letzten Sommer erst hatte König Gu n ther eine blutige Fehde mit Merowech, dem König der Franken, ausgefochten und ihm die reiche Stadt Treveris entrissen … Seitdem war das Verhältnis zwischen Burgund und dem gr o ßen Königreich im Norden alles andere als gut. Wahrscheinlich lag es nur daran, daß Volker ein Barde war, daß man sie
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