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Nibelungengold 02 - Das Drachenlied

Titel: Nibelungengold 02 - Das Drachenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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ersten Begegnung gelogen hatte.
    »Du bist kein Mensch«, zischte er leise. »Ich kenne solche wie dich. Du bist ein Moosfräulein.«
    Geist gab keine Antwort. Dennoch war er sicher, daß sie ihn trotz des Räderlärms verstanden hatte, denn sie zuckte leicht bei seinen letzten Worten.
    Die Moosfräulein… Bislang hatte er angenommen, daß ihr Volk mit all den anderen Wald- und Berggeistern aus dieser Gegend verschwunden war. Seit die Magie im Sterben lag, sah man ihresgleichen nur noch selten.
    War Geist, wie er selbst, die letzte ihrer Art? Wie er selbst – und wie der Drache?
    Drache, Zwerg und Waldgeist – drei Relikte eines Zeitalters, als noch der Zauber die Welt regierte. Was hatte das Schicksal mit dieser Vereinigung im Sinn?
    Und war es wirklich nur der Zufall, der sie an diesem Ort zusammenführte?
     

     
    Mütterchen wurde aus leichtem Schlummer gerissen. Ein metallisches Rasseln an der Gittertür ihres Kerkers. Jemand löste die Ketten. Sofort waren ihre Augen offen und blinzelten in grelle Fackelglut. Da wußte sie: Nach einer Nacht und einem Tag war es soweit. Der Geweihte kam, um sich ihrer anzunehmen. Auf welche Art auch immer.
    Der Tag war düster und kühl gewesen, ein graues Einerlei, in dem niemand ihnen Beachtung geschenkt hatte. Am frühen Abend waren zwei Krieger erschienen und hatten die arme Marret fortgeschleppt, zum Turm und zu Ugo. Was das Mädchen in seinen fetten Fingern zu erdulden hatte, vermochte Mütterchen sich vorzustellen, aber die Gedanken daran taten weh. Und doch war es in Wirklichkeit nicht der wahnsinnige Graf, den sie zu fürchten hatten. Ihr Gegner war ein anderer, der Meister der Drachenkrieger.
    Zwei Männer traten ein und hielten Löwenzahn mit ihren Schwertern in Schach. Mütterchen ließen sie unbehelligt.
    »Ihr seid alt geworden«, sagte der Geweihte, als er zwischen zwei weiteren Kriegern in den Kerker trat und die Räuberin eingehend musterte.
    »Sollte ich Euch kennen?« fragte sie und erschrak, wie brüchig ihre Stimme klang. Sie war alt geworden, und der Aufenthalt in diesem Loch war nicht gerade ein Jungbrunnen für ihre Verfassung.
    »Ich kenne Euch«, erwiderte der Geweihte, »so wie jeden hier in diesem Land. Macht Euch darüber keine Gedanken.«
    Seinen Namen hatte er nicht aufgrund einer Weihe erhalten, wie Mütterchen zu Anfang vermutet hatte. Es hatte nichts mit seinem Glauben oder der alten oder neuen Religion zu tun.
    Vielmehr trug der Herr der Drachenkrieger die merkwürdigste Rüstung, deren Mütterchen je angesichtig geworden war. Sie war aus den Enden von Hirschgeweihen gefertigt, ein enges, beinhartes Gitternetz, das seinen ganzen Körper umschloß wie ein Gewimmel aus warzigen Schlangen. Sie fragte sich, wie viele Hirsche er hatte erlegen müssen, um Geweihe zu finden, deren Spitzen so eng gewunden waren, daß sie um seine Arme und Beine paßten. Sogar sein Kopf war von einer schützenden Geweihmaske umschlossen; es sah aus, als hätte eine riesige Spinne vom Hinterkopf aus ihre Beine um sein Gesicht gelegt. Zwischen den Hornspitzen tanzte das Fackellicht über scharfe Wangenknochen und tiefliegende Augen. Sein Schädel war kahl und narbig.
    »Was wollt Ihr von uns?« fragte Mütterchen. Ihre Stimme schwankte leicht. Es war eine dumme Frage, geeignet nur, um Zeit zu schinden. Aber wofür? Es gab keine Rettung aus diesem Verlies.
    »Ihr wißt es, ich weiß es, deshalb laßt es uns kurzmachen. Wer ist Euer entflohener Gefährte?«
    »Was liegt Euch an ihm?«
    »Sagen wir, er besitzt etwas, das mir einiges wert ist.« Lächelte er, oder war es nur der flackernde Fackelschein, der die Geweihschatten auf seinem Gesicht erbeben ließ?
    Er will das Horn zurück, dachte Mütterchen. Wir hätten das verfluchte Ding bei dem Toten lassen oder besser noch in den Fluß werfen sollen.
    »Erwartet Ihr, daß ich einen Freund ans Messer liefere?« fragte sie und gab sich Mühe, abfällig zu klingen, so, als könne es gar keinen Zweifel an ihrer Aufrichtigkeit geben. Aber insgeheim wußte sie, daß ihr greiser Körper einer Folter nicht standhalten würde.
    Als sie ihm kühn in die Augen blickte, las sie darin zu ihrem Entsetzen, daß ihm dieselben Gedanken durch den Kopf gingen. Er wird mich auf jeden Fall foltern, schoß es ihr durch den Kopf. Auf einen Schlag vervielfachte sich ihre Furcht.
    Doch dann sagte er zu ihrem Erstaunen: »Wer spricht von päkern ?«
    Päkern war ein Wort aus der Räubersprache und bedeutete ermorden. Mütterchen wunderte sich

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