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Nibelungengold 04 - Die Hexenkönigin

Nibelungengold 04 - Die Hexenkönigin

Titel: Nibelungengold 04 - Die Hexenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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gegenüberliegenden Seiten eines kleinen Feuers nieder, leidlich weich auf Laub und Gras gebettet. Trockene Tannennadeln knisterten in den Flammen und verbreiteten einen angenehm herben Waldduft.
    »Wer übernimmt die erste Wache?« fragte Jodokus, während er einen Haufen Blätter unter seinem Kopf zurechtrückte.
    Erste Wache. An so etwas hätte Kriemhild nicht im Traum gedacht. Sie hätte sich schlafen gelegt und Gottes nimmermüder Vorsehung vertraut. Aber natürlich hatte der Sänger recht: Es war klüger, wenn einer von ihnen auf den anderen achtgab.
    »Du siehst müde aus«, sagte sie. »Ich bleibe wach.«
    Gelinde Empörung lag in seiner Stimme, als er sagte: »Du bist mindestens genauso müde.«
    »Mag sein. Aber es gibt eine Menge, über das ich nachdenken muß. Schlaf du nur. Ich wecke dich schon, wenn du an der Reihe bist.«
    »Nachdenken?« Er legte seinen Kopf zufrieden auf das Blätterkissen und murmelte mit geschlossenen Augen: »Mir scheint, das edle Fräulein hütet ein kleines Geheimnis.«
    Er war eingeschlafen, ehe Kriemhild eine Antwort darauf fand. Eine Weile lang beobachtete sie sein Gesicht im gelblichen Feuerschein, die feinen Falten links und rechts seines Mundes, die nicht vom Lachen stammen konnten. Die schmale Narbe im Mundwinkel schimmerte heller als der Rest seiner Wange, fast als leuchte sie aus sich selbst heraus. So, wie Jodokus dalag, fiel der Buckel auf seinem Rücken kaum auf. Kriemhild fragte sich, wie es sein mochte, wenn man von Kind an unter solch einer Mißbildung litt. Er tat ihr plötzlich leid, und eine Woge unverhoffter Zuneigung überkam sie. Er war so ganz anders als die geckenhaften Hofjünglinge, die sie in Worms kannte, ganz anders auch als die Fürstensöhne und Ritter, die Gunther ihr in regelmäßigen Abstände als Gemahle vorschlug.
    Ein fahrender Sänger, einer aus dem Heer der Armen – und dennoch wirkte Jodokus auf seine Weise zufrieden, glücklich sogar, wenn man seine Bemerkungen über den Tod außer acht ließ. Möglich, daß sie einiges von ihm lernen konnte.
    Seit Kriemhild aus dem Wasser gestiegen war, hatte sie ihr zerzaustes Haar offen getragen. Jetzt band sie es wieder im Nacken zusammen und erneuerte den Knoten am Hinterkopf. Andere, denen ihr Haar genausogut gefiel wie Jodokus, mochten nicht so zurückhaltend auf der gegenüberliegenden Seite des Feuers schlafen wie er.
    Die Geräusche des nächtlichen Waldes waren unheimlich – die Schreie der Eulen und Käuzchen, das gelegentliche Flattern von Schwingen in den Fichtenwipfeln, das Rascheln im Unterholz –, aber Kriemhild hatte keine wirkliche Angst. Im Grunde war sie von sich selbst überrascht. Sie war hinter den sichersten Mauern des Reiches aufgewachsen, hatte nie im Freien schlafen müssen – und nun lag sie hier, inmitten eines Landstrichs, den die Pest regierte, in einem Wald, der dunkler und tiefer war, als jeder andere, den sie bislang gesehen hatte. An der Seite eines vollkommen Fremden zudem, der aus Verhältnissen stammte, vor denen ihre Ammen und Zofen sie stets gewarnt hatten.
    Dennoch verspürte sie keine Furcht, nicht vor Jodokus und nicht vor dem Wald. Sie war ziemlich stolz auf sich.
    Als sie bemerkte, daß ihre Müdigkeit trotz der späten Stunde nachließ – die Aufregung, sagte sie sich –, stand sie auf und entfernte sich einige Schritte vom Feuer. Sie wollte zurück zur Straße gehen und das moosüberwucherte Pflaster im Mondlicht betrachten, die Verheißung von Ferne und von Reisen spüren, das seltsame Gefühl der Freiheit, das sie immer stärker überkam.
    Aber als sie aus dem Unterholz trat und einen Blick auf die Heerstraße warf, erkannte sie, daß sie nicht mehr allein war. Keine zweihundert Schritte östlich entdeckte sie Gestalten, einen Trupp gerüsteter Männer. Vierzig oder fünfzig, schätzte sie. Sie hatten sich am Straßenrand niedergelassen, einige lagen zusammengerollt im Gras und schliefen, andere hielten Wache. Im Mondlicht schimmerten Eisenpanzer und Helme, schartige Waffen und Schilde, von denen die Farben abblätterten. Pferde gab es nur drei oder vier, der Rest des Trupps war zu Fuß unterwegs. Der Marsch mußte lang und anstrengend gewesen sein, denn trotz ihrer großen Zahl machten die Männer kaum ein Geräusch. Die meisten schliefen bereits.
    Kriemhilds erste Empfindung war Sorge, daß man sie entdecken und zur Rede stellen würde. Zur Rede stellen – von wegen! In einer Gegend wie dieser, ein Haufen verwegener Soldaten und ein hübsches

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