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Nibelungengold 04 - Die Hexenkönigin

Nibelungengold 04 - Die Hexenkönigin

Titel: Nibelungengold 04 - Die Hexenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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ungehalten; tatsächlich war sie wütender denn je. »Wo bleibt denn dein verdammter Gegenzug, Jodokus-größter-Feind-der-Götter?« Und als er nicht gleich eine Erwiderung gab, setzte sie in ätzendem Tonfall hinzu: »Wo bleibt der göttliche Vernichtungsschlag, der dich und alles im Umkreis von drei Tagesreisen in den Boden stampft?«
    Jodokus beachtete sie nicht. Er horchte auf etwas, Laute, irgendwo hinter ihnen in den Wäldern. Daß er offenbar nicht bereit war, etwas auf ihren Vorwurf zu erwidern, erzürnte Kriemhild um so mehr.
    »Du könntest mir wenigstens antworten«, schimpfte sie aufgebracht.
    Ihre Pferde hatten sie nicht wiedergefunden, beide Tiere blieben wie vom Erdboden verschlungen. Zumindest aber waren Kriemhild und der Sänger am Vormittag auf einen befestigten Weg gestoßen, der laut Jodokus nach Nordosten und somit zu Salomes Zopf führte. Aber Kriemhild war nicht sicher, ob sie ihm überhaupt noch ein Wort glauben konnte, und das galt auch für seine angeblich so gute Orientierung.
    Insgeheim wunderte sie sich gehörig über sich selbst. Ihre Gefühle für den Sänger befanden sich in einem ständigen Auf und Ab. Manchmal sah sie ihn als guten Freund und treuen Gefährten, und da waren Momente, in denen sie nahe daran gewesen war, ihm ihr Herz auszuschütten. Darauf aber folgten unweigerlich jene Augenblicke, in denen sie glaubte, das ganze Lügengebäude, das er um sich errichtet hatte, diene nur einem einzigen Zweck, eben ihre Freundschaft, zumindest aber ihr Mitleid zu erlangen.
    Plötzlich wurde Kriemhild wieder von solch einem Drang erfüllt, mit ihm zu streiten, daß ihr selbst angst und bange wurde. Ihr Verhalten entsprach nicht ihrer Natur, ganz im Gegenteil, doch das machte es nur noch schlimmer. Daß seine Anwesenheit sie in solche Verwirrung stürzte, ließ ihren Zorn noch heftiger auflodern.
    Er tat gut daran, sich nicht auf ihre Anschuldigungen einzulassen, und genaugenommen wußten sie das beide. Aber so sehr Kriemhild sich auch vornahm, sich zu beherrschen, so sehr mißglückte ihr doch jeder dieser Versuche. Und wenn es ihr doch einmal gelang, sich zu zügeln, dann war wiederum er es, der zum Streiten aufgelegt war. Denn, und das war das sonderbarste, Jodokus schien unter ähnlichem Wankelmut seiner Stimmungen und Gefühle zu leiden wie sie selbst.
    »Ich weiß nicht genau«, fuhr Kriemhild fort, »warum du tust, was du tust, aber –«
    »Still!« flüsterte er.
    »Bitte?«
    »Sei ruhig. Irgendwer ist hinter uns.«
    »Wenn du glaubst, daß –«
    »Nein«, schnitt er ihr grob das Wort ab. »Ich glaube gar nichts, ich höre etwas.«
    Sie winkte ab, wenn auch nicht ganz so selbstsicher, wie sie es sich wünschte. »Ach, komm, das hatten wir schon einmal.«
    »Richtig. Und seitdem gehen wir zu Fuß, und es vergehen keine hundert Schritte, auf denen du nicht jammerst, deine Füße täten dir weh.«
    »Aber sie tun weh!«
    Er schüttelte resigniert den Kopf, und sie sah ihm an, daß er irgend etwas Abfälliges über die Empfindsamkeit von Edeldamen dachte, aber um ihrer Freundschaft willen nicht aussprach.
    Freundschaft – da war es schon wieder, dieses Wort.
    »Was ist es diesmal?« fragte sie. »Donars Hammer?«
    »Reiter«, gab er zurück. »Zwei, glaube ich.« Und damit ergriff er ihren Arm und zog sie zur Rechten des Weges ins Dickicht.
    Kriemhild hatte die Wälder, durch die sie seit Tagen zogen, mehr als einmal verflucht und ihnen die übelsten Feuersbrünste an die Wipfel gewünscht, doch in diesem Augenblick war sie froh über die verwobene Dichte des Unterholzes. Spätestens als sie den Vorderen der beiden Reiter erkannte, machte sie sich hinter den Büschen so klein, daß sogar Jodokus ihr einen irritierten Blick zuwarf.
    »Kennst du sie?« fragte er, als der schwarze Ritter und der kleine Junge vorübergeritten waren.
    »Sie suchen mich.« Kriemhild war blaß geworden. Jede Lust zu streiten, die sie noch vor wenigen Atemzügen empfunden hatte, war auf einen Schlag verschwunden.
    »Wer sucht dich?«
    »Meine Brüder.«
    Jodokus runzelte die Stirn. »Das da waren deine Brüder?«
    »Nein.« Sie schluckte und machte noch immer keinen Versuch, sich aufzurichten. Am liebsten wäre sie den ganzen Tag hier im Dreck hockengeblieben, nur um sicherzugehen, daß niemand sie entdeckte. »Der eine war Hagen von Tronje, einer der engsten Berater des Königs. Den Jungen kannte ich nicht.« Und tatsächlich verwunderte es sie, daß der finstere Hagen sich mit einem Kind abgab. Ganz

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