Nibelungenmord
und betrachte ihn, als die Polizei eintrifft, das hat man von so einer Fensterfront, jeder Spanner kann sehen, was man gerade so macht.
Schön wäre, wenn der Spielleiter da oben, der Buch führt und darauf achtet, dass die Bilanzen stimmen, wenn der mir einen guten Rat geben würde, etwa: Gehen Sie ins Gefängnis.
Gehen Sie direkt dorthin.
Gehen Sie nicht über Los.
Ziehen Sie keine 4000 Euro ein.
Vor allem aber gehen Sie nicht nach Hause zu Ihrem Anrufbeantworter.
Was, wenn Sie zwei Nachrichten darauf finden:
Sonja. Huhu, Else, alles Gute zum Geburtstag! Na, ich habe dir ja schon heute Nacht gratuliert, falls du dich erinnerst, so blau, wie du warst. Du bist jetzt sicher mit dem neuen Typen unterwegs, ich hoffe, ihr habt Spaß auf eurem Kurzurlaub. Du brauchst mir das Geld dafür übrigens erst Ende nächsten Monats zurückzugeben. Bis dann! – Ach ja, das nächste Mal, wenn ich dir was leihen soll, klingle mich bitte nicht mitten in der Nacht aus dem Bett.
Seine Stimme. Hallo, ich hab dich heute früh nicht wach gekriegt, du warst ja voll wie eine Haubitze. Meine Assistentin hat gesagt, du hättest angerufen. Ich hab dir meine Handynummer extra in die Tasche gesteckt, hast du die nicht gefunden? (Geraschel, Pause) Na ja, ich hab jetzt Feierabend und hoffe, du holst mich wie vereinbart ab. (Klingeln im Hintergrund, das Piepsen der Gegensprechanlage) Tschüss dann. Küssen werde ich dich nachher erst.
Und angenommen, ich griffe dann in meine Tasche, und dort fände ich einen Zettel: Meine Süße, hier ist meine private Handynummer. Habe heute den ganzen Tag Konferenz, aber jedes Mal, wenn ich aufs Klo gehe, werde ich nach einer SMS von dir schauen.
Das wäre doch wirklich schlimm.
Über Judith Merchant
Judith Merchant, geb. 1976, Germanistin und Dozentin für Literatur, lebt mit ihrer Familie in Königswinter am Rhein. 2008 wurde ihre Kurzgeschichte »Monopoly« für den Kärntner Krimipreis nominiert und gewann 2009 dafür den Friedrich-Glauser-Preis. »Nibelungenmord« ist Judith Merchants Romandebüt, das im sagenumwobenen Siebengebirge spielt, und der Auftakt zu einer Reihe um den jungen Kriminalhauptkommissar Jan Seidel aus Königswinter.
Über dieses Buch
In einer der sagenumwobenen Höhlen des Siebengebirges, wo Siegfried einst den Drachen tötete, wird eine Frauenleiche gefunden. Noch am selben Tag wird in Königswinter die Ehefrau des Notars vermisst. Hat die Geliebte des Notars, die exzentrische Künstlerin Romina, ihre Widersacherin kaltblütig aus dem Weg geräumt? Als sich Kriminalhauptkommissar Jan Seidel die Bilder der Künstlerin anschaut, sieht er das Mordmotiv förmlich vor sich: Verzerrte Frauenfratzen kämpfen um einen strahlenden Helden. Aber nicht nur Jan Seidel, sondern auch seine eigenwillige Großmutter Edith erkennt, dass die Lösung des Falles weitaus komplizierter ist …
Weitere Kostenlose Bücher