Niccolòs Aufstieg
Sie hat uns deshalb gebeten, dich zu unterstützen. Du brauchst deine Ideen, wie auch immer sie aussehen, nicht allein zu verfolgen. Und wenn etwas schiefgeht, sitzen wir alle im selben Boot. Im übrigen wirst du sowieso bald genausoviel Erfahrung haben wie wir. Vergiß jetzt einfach, was du getan hast. In Zukunft wird alles anders.«
Noch während er sprach, nahm er wahr, daß Nicholas sich gewaltsam zur Ruhe zwang. Ellbogen auf den Knien, Hände vor dem Gesicht, saß er da. Das Haar fiel ihm in feuchten Locken über Stirn, Hals und Schultern, von denen die Wolldecke heruntergerutscht war. Endlich sprach er. »Du weißt ja nicht, was ich getan habe.«
Julius wartete einen Moment. »Dann will ich es auch nicht wissen«, sagte er dann. »Fang neu an. Du kannst es.«
Schweigen. Nicholas wischte sich das nasse Gesicht mit einer Hand, rieb dann mit einem Zipfel der Decke Haut und Haare trocken. »Ja, wahrscheinlich kann ich das.«
Es war nur der Form halber zugestanden. Aber es hieß immerhin, daß er sich wieder in der Hand hatte. Besser ein Nicholas, dessen Verstand arbeitete, als einer, der schutzlos war, wenn man keine Ahnung hatte, wie man ihm helfen sollte.
»Mach nur keine Dummheiten mehr«, sagte Julius. »Das steht nicht dafür. Und es ist auch der Demoiselle gegenüber nicht gerecht.«
»Ja. Du hast recht. Natürlich.« Nicholas brachte sogar ein Lächeln zustande. »Aber den Schaden bezahle ich und nicht die Demoiselle. Ich hoffe nur, daß von den Hunden keiner Simon gehört.«
Wenn er die Bemerkung so auffassen wollte, auch gut. Bald kam der Botenjunge keuchend mit trockenen Kleidern zurück, und Nicholas zog sich um, wobei ihm nur die Haken des Wamses etwas Mühe machten. Julius reichte ihm den Wein, den der Müller gebracht hatte, er trank ihn in einem Zug aus und mußte sich prompt übergeben.
»Komm«, sage Julius. »Zurück in die Spanjaardstraat. Es kommt nicht jeden Tag vor, daß dir ein Strauß das Hinterteil durchlöchert.«
»Geh schon vor«, sagte Nicholas. »Ich komme nach, sobald ich kann. Ich muß noch einen Besuch machen.«
»Wieso? Wo? Ich bringe dich hin,«
»Nein, nein. Das schaffe ich schon. Ich muß ja nur in die Zilverstraat. Katelina van Borselen möchte mich sehen.«
KAPITEL 42
Nicholas fand es angemessen, daß er an diesem schlimmsten Tag seines Lebens durch ein Zusammentreffen mit Katelina van Borselen für all seine Sünden büßen sollte.
Nach einigem Hin und Her ließ Julius ihn in Frieden und kehrte unverkennbar verwirrt und ärgerlich in die Spanjaardstraat zurück. Wo er zweifellos Tobias und Gregorio berichten würde. Wo er sicherlich auch Marian etwas würde sagen müssen, da die Geschichte vom Ritt auf dem nackten Strauß inzwischen vermutlich in ganz Flandern die Runde machte. Nicholas konnte nur hoffen, daß Julius, der von Diskretion nicht allzuviel hielt, für sich behalten würde, was sich ereignet hatte, nachdem der Vogel wieder eingefangen gewesen war. Er wußte sehr wohl, daß er ohne Julius jetzt nicht hier wäre. Schon einmal hatte er sich so für ihn ins Zeug gelegt, damals im Wasser von Sluis. Er wünschte, Julius würde ihn entweder gleich vor Dummheiten bewahren oder aufhören, ihn zu retten.
Der Gang zur Zilverstraat war eine Tortur. Nicholas fühlte sich lächerlich schwach und traf überall Leute, ganz gleich, was für Umwege er machte. Er hatte sich nicht entscheiden können, was er Katelina sagen wollte, und jetzt, auf dem Weg zu ihr, blieb ihm keine Zeit zum Nachdenken. Plötzlich stand er vor dem Tor, und der Pförtner ließ ihn ein.
An der Haustür fiel ihm ein, daß er den Weg zur Küche und ihrer Schlafkammer kannte. Aber dort würde sie ihn wohl kaum sehen wollen, auch wenn ihr Vater verreist war. Wenigstens würde sie ihn mit nassem Haar gleich erkennen. Wieder einmal kam er direkt aus dem Kanal.
Diesmal war ein Diener da, der ihn in ein großes Empfangszimmer führte und allein ließ. Es war das Zimmer, aus dem sie ihn am Morgen nach dem Karneval ernst und glücklich gegrüßt hatte.
An dem Morgen, als er mit einer Ziegenherde und bimmelnden Glöckchen am Wams unter dem Fenster vorbeigelaufen war.
Er wandte den Blick vom leeren Fenstersitz und sah, daß der ganze Raum leer war. Dann knarrte leise der große Lehnstuhl am offenen Kamin Aber niemand stand auf. Natürlich, sie erwartete ein Kind, sie war schwerfällig geworden. Sein Kind. Nicholas näherte sich dem großen Stuhl und blieb mit der Kappe in der Hand vor ihm stehen.
Der
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