Nicht alles Kraut ist grün
nachdenklich.
»Wie alt?«
»Etwa dreißig«, sagte er. »Vielleicht zweiunddreißig.«
»Beschreiben Sie ihn.«
»Er ist etwa eins achtzig groß und wiegt zweiundachtzig Kilo. Er hat welliges Haar, blaue Augen und eine starke persönliche Ausstrahlung.«
»Haben Sie ein Foto von ihm?« fragte ich.
»Nein.«
»Name?«
»Hale. H-a-l-e. Vorname Colburn. Er unterschreibt als C. E. Hale. Seine Freunde nennen ihn Cole, soviel ich weiß.«
»Die letzte Adresse?«
»Bullinger Street 817. Dort hatte er ein Apartment, Nummer 43. Er ist sehr plötzlich ausgezogen. Ich glaube, außer einem Koffer hat er nichts mitgenommen.«
»Miete?«
»Die ist, soviel ich weiß, bis zum zwanzigsten bezahlt.«
»Beruf?«
»Schriftsteller.«
»Er wohnt in einer Gegend, in der sich viele Schriftsteller und Künstler niedergelassen haben«, meinte ich.
»Genau«, bestätigte Calhoun.
»Darf ich fragen, was Sie von Hale wollen?«
»Ich will mit ihm sprechen.«
»Und wie lautet unser Auftrag?«
»Finden Sie den Mann, ohne Aufsehen zu erregen, und nennen Sie mir die Adresse, unter der er augenblicklich zu erreichen ist.«
»Das ist alles?«
»Alles.«
»Hale ist also Schriftsteller?«
»Ja. Ich glaube — nein, ich weiß sogar genau, daß er zur Zeit an einem Buch arbeitet. Wovon es handelt, kann ich allerdings nicht sagen, weil er darüber nie spricht. Er hat mir seine Theorie mal erklärt. Wenn ein Schriftsteller über ein Werk spricht, das er gerade in Arbeit hat, sagt er, gibt es zwei Sorten von Gesprächspartnern: verständnisvolle und verständnislose.
Verständnislosigkeit knickt das Selbstbewußtsein des Künstlers. Ein verständnisvoller Zuhörer verleitet ihn dazu, zu viel zu verraten, wodurch sich die schöpferische Energie in der Unterhaltung verbraucht, statt im Schreiben.«
»Er ist also ein Geheimniskrämer?«
»Sagen wir — er ist zurückhaltend«, korrigierte Calhoun.
Ich musterte den Mann. Sporthosen mit korrekt sitzender Bügelfalte, sichtlich teures Sakko, kurzärmliges Dacron-Hemd. Als Krawattennadel ein leuchtend grüner Stein.
Er fing meinen Blick auf. »Ein Chrysocolla«, erklärte er stolz.
»Was ist ein Chrysocolla?« fragte ich.
»Ein Halbedelstein. Jede Unze vermutlich kostbarer als Gold. Sehr selten. In der Zusammensetzung eine Art kupfergeäderter Achat. Das trifft es nicht genau —aber es gibt Ihnen in etwa eine Vorstellung.«
»Sammeln Sie solche Brocken?« fragte ich.
»Manchmal. Als Hobby sozusagen...«
»Haben Sie diesen Stein auch selber gefunden?«
»Nein. Es war ein Tauschgeschäft. Ein herrliches Exemplar.«
»Wann haben Sie Hale zuletzt gesehen?« fragte ich.
»Moment mal«, bremste Bertha. »Ehe wir uns in die Einzelheiten stürzen, sollten wir uns zunächst über das Grundsätzliche einig werden.«
»Das Grundsätzliche?« wiederholte Calhoun.
»Ich meine unser Vorschußhonorar«, erläuterte Bertha.
Er musterte sie nachdenklich. »Wieviel?«
»Dreihundertfünfzig.«
»Und was bieten Sie mir dafür?«
»Die Exklusivdienste unserer Detektei. Einen Top-Mann — nämlich Donald — für die Außenarbeiten für fünfzig Dollar pro Tag plus Spesen. Ich erledige den Verwaltungskram.«
»Für weitere fünfzig Dollar?« erkundigte er sich mißtrauisch.
»Nein, das steckt mit in dem Pauschalbetrag.«
Er musterte Bertha, die alle ihre Stacheln ausgefahren hatte.
Er gab es auf. »Abgemacht«, sagte er.
»Haben Sie Ihr Scheckbuch bei sich?«
Man merkte, daß er sich nicht gern drängen ließ. Er zögerte wieder. Schließlich zog er seine Brieftasche.
Niemand sagte etwas, während er seinen Sessel an Berthas Schreibtisch heranrückte und begann, Fünfzig-Dollar-Scheine abzuzählen.
Bertha lehnte sich etwas vor. Sie wollte, so wie ich sie kannte, aus dem Inhalt der Brieftasche auf die Liquidität unseres Klienten schließen. Calhoun aber tat ihr nicht den Gefallen. Er rückte etwas zur Seite, so daß das gute Stück gegen Feindeinsicht geschützt war.
In tiefer Stille zählte er sieben hübsche, knisternde Fünfzig-Dollar-Scheine ab und deponierte sie auf Berthas Schreibtisch.
»Wann also«, wiederholte ich, »haben Sie Hale zuletzt gesehen?«
»Ist das wichtig?«
»Ich denke schon.«
»Ich habe ihn überhaupt nie gesehen.«
»Haben Sie mir alles erzählt, was Sie über ihn wissen?«
»Nein. Ich habe Ihnen alles erzählt, was ein guter Detektiv zu wissen braucht.«
»Dann hätten wir gern noch einiges über Sie gewußt«, setzte ich noch einmal an.
Er
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