Nicht die Bohne!
haben wir Zeit. Ganz viel Zeit. Und das ist herrlich. Wir hören Musik, liegen zusammen auf dem Sofa – ich benötige mittlerweile zwei Drittel des Platzes, er begnügt sich mit einem Drittel – und philosophieren über das Leben. Endlich erfahre ich auch, welches Ergebnis das zielführende Gespräch mit Olaf hatte: die friedliche Koexistenz von Bohnenerzeuger und Bohnenmuttermann. Es wurde per Handschlag besiegelt, sich allen weiteren Entwicklungsschritten des Bohnen-Projekts flexibel und freundlich zugetan anzupassen, ohne die Bohnenmutter mit problematischen Gefühlen zu belasten. Das nenne ich mal ein Ergebnis! Dagegen sehen G8-Gipfel aus wie Elternvertreter-Wahlen im Kindergarten.
Wie diese Vereinbarung allerdings in der Realität umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Wenigstens haben alle Beteiligten die feste Absicht, mich nicht in den Wahnsinn zu treiben. Das ist doch erst mal sehr positiv.
Abends husche ich schnell unter die Dusche, damit meine Beine nicht vergessen, wofür sie gemacht wurden und ich wenigstens frisch rieche. Und jeden Abend hockt Simon dabei auf dem Badewannenrand und schaut mir zu. Obwohl Gertrude mehrmals betont hat, dass es mir wirklich gut geht und ich durchaus alleine duschfähig bin, ist er nicht davon abzubringen, mich zu bewachen.
Da ich mein ganzes Leben lang schlank war, ist die Tatsache, dass ich jetzt rundherum rund bin, schon sehr befremdlich. Bereits vor Wochen habe ich den Blickkontakt zu meinen Füßen verloren und bewege mich jeden Tag mehr wie eine gehbehinderte Ente.
Simon sieht das allerdings anders. Er findet mich wunderschön. Und ich weiß, dass er das wirklich so meint, weil seine Augen ein ganz besonderes Funkeln haben, wenn er mich betrachtet. Und weil er mir jeden Abend huldigt, finde ich mich auch selbst irgendwann, trotz fünfzehn Kilo mehr auf den Rippen, ganz ansehnlich. Dick, aber schick. Was sind wir Frauen doch anpassungsfähig und beeinflussbar.
Es ist Mitte Mai, und still und leise bin ich von meiner Krankschreibung in den Mutterschutz gerutscht. Simon hockt neben mir auf dem Sofa und macht seine Abrechnung, während ich im Internet nach einer Firma für den Druck der neuen Flyer fahnde.
»Paula?«, reißt Simon mich aus meinen Druckkostenlisten, und ich hebe den Kopf.
»Hm?«
»Das ist jetzt sehr wichtig«, sagt er und klappt seinen Laptop zu. Ich lasse die Hände weiterhin über der Tastatur schweben und harre der wichtigen Ankündigung, die da kommen wird.
»Ich möchte noch mehr Bohnen mit dir machen«, sagt er und dreht den Kopf, um mich anschauen zu können.
Etwas verwirrt runzle ich die Stirn. Er interpretiert meinen Gesichtsausdruck richtig und fährt fort: »Nicht sofort, versteht sich. Aber dieser Zustand der Schwangerschaft ist toll. Das müssen wir einfach noch mal machen.«
»Klar. Ob du das nach acht Wochen Schlafentzug, dem Anblick von überlaufenden Windeln und Dreimonatskoliken auch noch so siehst, ist allerdings fraglich«, gebe ich zurück, aber er grinst nur und klappt seinen Laptop wieder auf. Ein paar Minuten arbeiten wir schweigend weiter, dann halte ich inne und frage: »Ob du mich auch noch liebst, wenn ich meine Fußspitzen wieder sehen kann?«
»Immer, Süße!«, sagt er bestimmt, während seine Finger sich zügig weiter über die Tasten bewegen.
Kapitel 32
In der Nacht 14. auf den 15. Juni bekomme ich Wehen. Die Rede ist hier nicht von kleinen, lustigen, muttermundunschädlichen Kontraktionen, sondern Wehen, die irgendwo auf dieser Welt an einem Erdbeben-Seismograf erkennbar sein müssen.
Und es geht auch nicht sanft und langsam los zum Drangewöhnen, sondern gleich richtig.
»Wehen!«, grunze ich und schlage Simon, der friedlich neben mir schlummert, auf die Schulter.
Simon wacht auf, blinzelt mich an und schaltet umgehend in den Notfallmodus: »Welche Woche ist das jetzt?«
»Siebenunddreißigste.« Ich blicke starr an die Decke, weil der nächste Schmerz-Tsunami auf mich zurast.
Simon murmelt »feinfein« und schlüpft in die Prothese, die neben dem Bett geschlafen hat. Gleichzeitig reißt er das Handy ans Ohr. »Paula sagt, sie hat Wehen«, brummt er noch etwas schlaftrunken, und ich erhoffe Gertrude am anderen Ende. Meine Chancen stehen gut, denn wen sonst sollte er um halb drei Uhr morgens über meine Wehen in Kenntnis setzen? Er wirft mir über die Schulter einen prüfenden Blick zu und sagt: »Vielleicht eine Viertelstunde.« Ohne einen weiteren Kommentar legt er auf und sagt zu mir: »Okay, und
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