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Nicht die Welt (German Edition)

Nicht die Welt (German Edition)

Titel: Nicht die Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Krepinsky
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stark du verstrahlt bist. Sie erkennen nicht nur die Strahlung, sondern auch die Schäden, die dein Körper bereits davongetragen hat. Bist du eine Eins oder Zwei, ist alles bestens. Bist du eine Drei, ist noch alles halbwegs in Ordnung. Die Schäden können vom Körper noch ausgebessert werden. Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit wesentlich höher, nach Jahrzehnten Krebs zu bekommen.« Er sah sie sehr ernst an. »Wenn du eine Vier oder Fünf bist, ist es aber viel schlimmer. Die Zerstörungen in den einzelnen Zellen sind zu stark, um vom Körper noch aufgefangen werden zu können. Als Vier kannst du innerhalb weniger Jahre sterben, als Fünf stirbt jeder Zweite innerhalb weniger Monate. Natürlich gibt es auch Menschen, die ein wenig länger leben. Aber alle, wirklich alle, die bei der Explosion zur Vier wurden, haben nach zwei Jahrzehnten kaputte Organe, die meisten sind sogar schon tot.« Er machte eine Pause, weil er bemerkte, dass sie nicht mehr zuhörte. Als sie zu ihm aufblickte, sagte er weiter: »Und du hast mich nach Neustadt gefragt. Die Regeln dort sind hart. Als Vier oder Fünf kommst du in Neustadt nicht mehr in die öffentlichen Einrichtungen, nicht in die Krankenhäuser, nicht an öffentliche Digitalfenster. Als Geduldeter lebst du zurückgezogen und isoliert. Manche von denen werden für einfachste Arbeiten beschäftigt. Die meisten sterben wahrscheinlich innerhalb kurzer Zeit. Und ... und du darfst keine Kinder mehr haben, weil die Gefahr von Fehlbildungen bei den Kleinen einfach zu hoch ist.«
    »Eine grausame Welt. Ich möchte nicht in Neustadt leben«, sagte sie. Er schaute betrübt. »Woher weißt du so viel über diese Dinge?«, fragte sie.
    »Ich habe mir alles mit Hilfe der Digitalfenster selbst beigebracht. Heute lernen die Kinder ja viel mehr in der Schule als wir, die wir in der Alten Ordnung aufgewachsen sind.«
     
    Die junge Frau legte sich auf die Behandlungsliege und stützte ihren Kopf mit dem unverletzten Arm ab. »Was ist ein Digitalfenster?«
    Der junge Mann wunderte sich, offensichtlich gab es immer noch Gegenden, in denen diese Technik unbekannt war. Sie kommt wohl vom Land, dachte er. Da er sie jedoch nicht verletzen wollte, stellte er sie nicht bloß. »Stell dir ein Bildfenster vor.«
    »Wie?«, fragte sie.
    »Na, ein Bildfenster, einen Bildgeber, vor dem man sitzt und einem Geschichten aus der weiten Welt erzählt werden.«
    »Wir hatten nie einen«, entgegnete sie. Er fuhr fort: »Nun, bei Bildfenstern sind die Handlungen eingeschränkt, du sitzt nur da und guckst dir das an, was andere erschaffen haben. Bei Digitalfenstern ist das anders: Hier hast du ein Bildfenster, das du mit einem Eingabegerät kontrollieren kannst. Du kannst an den Welten anderer teilhaben oder selbst welche erschaffen. Du kannst mit jedem zusammen sein, der auch ein Digitalfenster hat. Vor allem die Jungen nutzen das, denn dort ist das Leben frei. Für die Alten ist es nur eine Digitalwelt, für uns Junge ist es aber mehr: eine zweite Welt. Unsere Neuwelt.«
    »Wenn ich eine Welt erschaffen will, schließe ich meine Augen«, wandte sie ein.
    »Aber es ist nicht real«, erwiderte er etwas ungeduldig.
    »Das ist deine Neuwelt aber auch nicht.«
    »Du kannst aber tatsächlich bei den Menschen sein, die du liebst, mit ihnen reden, ihnen nahe sein.«
    »Das geht auch so«, sagte sie und schloss ihre Augen. »Schließ‘ jetzt bitte auch deine Augen ... Wo bist du jetzt?«
    »Im Krankenhaus ... bei dir«, antwortete er. Nach einer Weile sagte sie: »Das kann von jetzt an immer so sein, wenn du die Augen schließt, egal, wo du bist.« Er lächelte. »Du kannst dich ruhig neben mich legen, um ein wenig auszuruhen. Du siehst sehr müde aus«, bemerkte sie und rückte zur Seite.
    »Ja, ich bin müde, so unendlich müde. Warte, ich ziehe mir vorher die Schutzkleidung aus.« So lagen sie beieinander auf der harten Liege der Notfallaufnahme.
     
    Der junge Mann musste kurz eingeschlafen sein und brauchte einen Moment, um sich wieder zu orientieren. Seine Blicke wanderten im Raum umher. Er erkannte Spritzen und Nadeln, die in Folie eingeschweißt waren, verschiedene Infusionslösungen und Geräte zur Überwachung des Kreislaufs und zur Beatmung. Die junge Frau war nicht mehr da. Warum hat sie sich nicht verabschiedet?, fragte er sich. Auf dem Boden war Blut verspritzt. War das Blut vorher schon da oder ist es neu? Hat ihr jemand etwas angetan und sie verschleppt? Warum hat er dann mich verschont? Nachdem er

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