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Nicht die Welt (German Edition)

Nicht die Welt (German Edition)

Titel: Nicht die Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Krepinsky
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seine Schutzkleidung angezogen und den Elektrostock vom Boden aufgehoben hatte, verließ er die Notfallaufnahme, um die junge Frau zu suchen. Er rief nach ihr, leider hatte er nicht nach ihrem Namen gefragt, so dass er hoffte, sie würde seine Stimme erkennen, wenn sie die Rufe hörte. Nach einiger Zeit gab er jedoch auf. Im Krankenhaus war niemand anzutreffen. Auch auf der Straße war keine Spur von ihr. Zuletzt suchte er sie vergeblich auf dem benachbarten Friedhof. Mit Kreide hinterließ er einen Hinweis an der Wand neben dem Eingang des Krankenhauses, gab an, wohin er gegangen war und bat sie nachzukommen. Er folgte wieder dem Verlauf der breiten Straße, die auf ihrem Weg nach Westen erneut einen Schwenk nach links machte.
     
    Eine hohe Barrikade aus aufgetürmten alten Autos, Schutt und Autoreifen blockierte die Straße vor ihm, so dass er nicht weitergehen konnte. Ganz dicht ging er an die Barrikade heran, traute sich aber nicht hinaufzuklettern und hinüberzuschauen, denn hinter der Absperrung befanden sich offensichtlich Menschen. Ein metallisches Schlagen war zu hören, einige lachten, andere schrien und zusammen stimmten sie Lieder an. »Was willst du hier in unserem Reich, Strahlenmann?«, fragte plötzlich jemand neben ihm. Der junge Mann erschrak, drehte sich um und erblickte drei Männer ohne Schutzkleidung, die lange Stöcke hatten. Die Flucht schien ihm der einzige Ausweg zu sein. Er rannte zurück, immer weiter die Straße entlang, vorbei am Krankenhaus, immer weiter, drehte sich nicht um und hoffte, dass er sie abhängen könnte. Körperlich war er gut vorbereitet auf alle möglichen Strapazen. Die Staubmaske erschwerte ihm jedoch das Atmen, so dass er schon nach einigen Hundert Metern vollkommen erschöpft war, zu Boden fiel und nach Luft rang. Als er sich umdrehte, war zu seiner Erleichterung niemand mehr zu sehen. Hoffentlich ist die junge Frau ihnen nicht in die Hände gefallen, dachte er.
     
    Da der direkte Weg zum Innenministerium abgeriegelt war, musste er sich eine andere Strecke überlegen. Er entschied sich dazu, zunächst durch das Altbauviertel nach Süden zu gehen. Am Fluss angekommen, sollte ihn die Hochbahntrasse zum Runden Platz führen, der in Sichtweite des Ministeriums lag. Das Altbauviertel. Zurück nach Hause. Das, was ich unbedingt vermeiden wollte, ist nun unausweichlich geworden, dachte er. Immer noch nicht vollständig von seiner Flucht erholt, benutzte er seinen Elektrostock als Stütze und verließ die breite Straße. Er erreichte die ersten Altbauten, die mit ihren vier Stockwerken charakteristisch waren für die Häuser, die noch vor dem Krieg gebaut worden waren. Kurz blieb er stehen. Hier in den Straßen hatte er als Kind gespielt. Jetzt lagen die Häuser in Trümmern. Die Scheiben der Fenster waren zerschlagen, die Türen herausgerissen, die Dachstühle eingefallen. Nur wenige Autos standen verrostet an den Straßenrändern. Der Anblick schmerzte ihn, denn er hatte sein Viertel geliebt. Die unteren Häuserfronten waren über und über mit Namenskürzeln versehen. Zwei, drei Buchstaben, immer wieder geschrieben, in Unendlichkeit wiederholt. Es gab nur einige wenige Zeichnungen: ein Affe in Militäruniform mit Gewehr, ein Priester mit Spaltungsrakete, ein Musiker, der auf einem Baukran spielte, ein Kind, das auf einer Bombe mit brennender Zündschnur saß.
     
    Er kam an einem großen Saal vorbei und wusste nun, dass er ganz in der Nähe seiner alten Wohnung angelangt war. Die Scheiben aus massivem, kupferfarbenen Glas waren noch unversehrt gewesen. Als er den Saal betrat, begrüßte ihn ein riesiges Spruchband, das in einiger Höhe hing: »25 Jahre Kriegsende: Ihr Triumph ist unser Vermächtnis.« Solche Spruchbänder mit ähnlichen Inhalten, die der Alten Ordnung huldigten, lagen überall wild verstreut herum, außerdem viele Fahnen mit dem Symbol. Auf den Tischen und Stühlen befanden sich die Uniformen, die sie als Kinder tragen sollten. Er nahm eines der unverkennbaren Halstücher in den Farben der Alten Ordnung in die Hand. Die Vorbereitungen für den Jahrestag des Kriegsendes waren für Kinder eine aufregende Erfahrung gewesen. Tagelang war man mit dem Basteln von Fähnchen und Bemalen von Plakaten beschäftigt und konnte die Siegesparade nicht erwarten. Dieses Mal kam es jedoch anders. Einen Tag vor der Parade explodierte die Kuppel.
     
    Er fühlte sich nicht wohl bei den Zeugnissen der Vergangenheit, legte das Halstuch wieder auf den Tisch, verließ fast

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