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Nicht lecker, aber Weltrekord

Nicht lecker, aber Weltrekord

Titel: Nicht lecker, aber Weltrekord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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ich bin auch ganz überrascht …«
    Aber was soll ich tun? Ich kann nicht Auto fahren, und wenn Carol mich hier, in der Wildnis, aussetzt, werde ich wahrscheinlich von tollwütigen Waschbären zerfetzt. Zu meinen wenigen Prinzipien im Leben gehört, dass ich nicht durch ein Tier sterben möchte. Also murmle ich auf Deutsch: »Kannst ja selbst nicht fahren, Miststück!«
    »Was sagst du?«, fragt Carol, und was mich wirklich erschreckt, ist, dass sie jetzt wieder ganz zuckersüß säuselt. Der amerikanische Traum, der Pfadfinderinnengeist hinter zwei Zahnreihen, von denen eine irgendwie zu viel wirkt.
    »Nichts«, lächle ich zurück, denn ich kann nicht Auto fahren. Alles, was ich tun kann, ist zu versuchen, Carol auf einem weniger gefährlichen Level zu halten, ihrer unbändigen Wut kein Futter zu geben, damit sie uns nicht gegen einen Baum rammt. Und es stehen verdammt viele Bäume auf den nächsten vierhundert Meilen auf dem Programm.
    Ich greife ein neutrales Thema auf: »Heiß da draußen.«
    Das habe ich hier unten im Süden schon gelernt. Wenn man eine Unterhaltung in seichtere Gewässer lenken will, sagt man: »Heiß da draußen.« Der andere versteht den Hinweis, hört auf, über die Steuern, Demokraten, islamisierte Nigger oder andere, in seinen Augen untragbare Zustände herzuziehen, und antwortet mit einem gütigen: »Yeah! Gott segne die Klimaanlagen.«
    Carol aber stammt aus dem Norden und hat generell keine Themen unter neutral eingeordnet.
    »Ja, heiß da draußen, du Weichei! Dann musst du mal in die Wüste. Nach Las Vegas!«
    Überrascht sehe ich Carol an. Ich hätte jetzt mit einer Geschichte aus dem Krieg gerechnet. Nicht dass Carol dauernd oder gar ausführlich von ihrer aktiven Zeit erzählt, aber wenn sie gut getankt hat, lässt sie einiges durchsickern. Momentan ist sie jedoch nüchtern und plappert zur Abwechslung mal wie eine Hotelbroschüre.
    »Las Vegas schläft niemals, keine Sperrstunde. Das ist heiß, Baby! Du kannst immer spielen und trinken und dir Shows angucken. Und die haben ein echt supercooles Army-Camp da draußen.«
    Ich kriege die Worte »supercool« und »Army-Camp« nicht zusammen. Ich kann mir ja nicht mal eine Folge MASH anschauen, ich Zivilist. Aber solange Carol plappert, hält sie den Wagen auf der Straße.
    »Wir mussten dahin, zur Vorbereitung auf den Irak, weil die da am besten die Umstände nachbauen können. Die Wüste, das Wetter … toll! Und das Beste war: Die haben da ein richtiges Dorf aufgebaut, so Lehmhütten und so ’n Scheiß, wie im Irak.«
    Ich haue mir selbst auf den Mund, um nicht zu fragen: »Und hast du’s zerbombt?«
    Carol schwärmt weiter. Ich meine, ihre Augen strahlen tatsächlich.
    »Die haben da extra Leute geholt, auch, damit die so auf Arabisch schreien, damit es echter wirkt, weißt du?«
    Ich weiß nicht. Aber jetzt will ich es wissen, scheiß auf die tollwütigen Waschbären, bei denen ich wahrscheinlich landen werde.
    »Carol, woher haben die die Leute geholt?«
    Carol macht eine kurze Pause, ehe sie sagt: »Hm, dahabe ich nie so drüber nachgedacht. Vielleicht aus Guantanamo Bay, so als Knasturlaub. Hahahahahaha!«
    Ich sehe wieder zu viele Zähne in ihrem Gesicht, zu viele Bäume neben dem Highway. Bisher habe ich ein wunderbares Leben geführt und dachte, mein größtes Problem könnte einmal sein, dass ich vierhundert Leuten in einem Theater gegenübersitze, die meinen Humor nicht teilen, vierhundert Leuten, die nicht lachen. Das wäre schlimm.
    Carol hängt gackernd über dem Lenkrad und haut sich immer noch auf den Oberschenkel. Sie findet es nicht weiter tragisch, dass ich nicht mitlache, es gibt ja noch eine ganze Armee, ein halbes Land, mit dem sie diesen gelungenen Scherz teilen kann.
    Immer noch erheitert meint Carol: »Scheiße, Vegas, ja, haha, das waren Zeiten! Verflucht, ich brauche bald ein Bier. Wie weit ist es noch, was meinst du, Missy?«
    »Höchstens noch dreihundertsechzig Meilen«, antworte ich und rechne die Zahl leise in Bäume um.
    ***
    Obwohl Graceland sehr kommerziell ist, mag Carol es nicht sonderlich.
    »Wer sind diese Verrückten?«, erkundigt sie sich ausgerechnet bei mir und zeigt auf ihre Landsleute, die zu Hunderten vor dem Museumseingang stehen. »Weswegen sind die alle hier?«
    »Elvis?«, spekuliere ich wild, aber Carol mag das nicht glauben.
    »Der Kerl ist tot«, behauptet sie und erntet dafür von allen Seiten giftige Blicke.
    »Sie bevorzugen den Ausdruck ›vorübergehend

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