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Nicht lecker, aber Weltrekord

Nicht lecker, aber Weltrekord

Titel: Nicht lecker, aber Weltrekord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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keckern mitunter, und Eichhörnchen dürfen das, so finde ich.
    Delfine dürfen ebenfalls keckern, weil die nett zu behinderten Kindern sind. Denen ist das egal, ob die komische Frisuren haben oder nicht. Manche Tiere aber sollten nicht keckern. Menschliche Männer zum Beispiel.
    Ich meine: Wenn ein Mann sich bei einem Tier etwas abschaut, dann doch bitte nicht von einer hyperaktivenRatte mit Puschelschwanz oder einem Fisch mit Loch im Kopf. Ein Mann kann sich meinethalben benehmen wie ein Bär. Er darf sich an Bäumen schubbern und Vorräte durchwühlen, er kann von mir aus vier Monate im Jahr verpennen, und er darf doofe Wanderer in Goretex-Jacken aufessen. Außerdem sollte ein Mann aus Gründen des Tierschutzes niemals zum Tanzen gezwungen werden. Das wäre nicht artgerecht. Aber zu keckern wie ein Eichhörnchen, das steht dem Manne nicht. Denn wenn ein Mann erst mit Geräuschen wie »Ntstststntsnts« anfängt, dann ist es um ihn geschehen. Dann ist er kein Mann mehr, sondern ein Eichhörnchen in Menschengestalt, also ein selbstständiger Systemadministrator. Und wir alle kennen diese traurige Gestalt.
    Tagsüber hechtet er nervös durch die Innenstädte von Karlsruhe oder Hannover, auf der Suche nach Nahrung, Weibchen und eigenem Revier. Da sein Kurzzeitgedächtnis jedoch nur über die Speicherkapazität einer Haselnuss verfügt, hat er selbst nicht die geringste Ahnung von dieser Suche. Deswegen muss er alle fünf Minuten andere Eichhörnchen-Menschen über das Eichhörnchen-Menschen-Funknetz anrufen, das nur per Freisprechanlage funktioniert. Damit stellt er sich dorthin, wo die lautesten Autos am dichtesten fahren und dann, dann keckert er los: »Ntstnstsn, hallo, Lothar! Du, ich bräuchte noch hier, die Dingens … tststst … ja, von dem Kunden … wegen der Kampagne. – Ist schon fertig? Aha, aha … ntsntsts … – Was sagst du da, Lothar, was? Wir haben den Kunden verloren!? Ach so … ntsnstsn! – Du, Lothar, das ist ja jetzt eher suboptimal,ja … ntsntst … ja … nsntnst … Ich bin hier gerade in … Darmstadt … nee, Hannover … ist ja auch egal, müsst ihr das Meeting halt ohne mich machen, ich hab hier zu tun. – Ich ruf dich gleich noch mal an … ntststs. Nein, wir machen es umgekehrt, Lothar, du rufst mich an und sagst mir, wo ich bin. Und was ich hier mache. … Geeeenau, so machen wir’s, genau, ntstnst. – Tschö, Lothar! Tschö mit Ö, jahahah … ntsntns!«
    Und nachtaktiv ist er auch noch, der Eichhörnchenmann. Nachts ist ihm danach zumute, in einen dunklen Kobel zu klettern, vielleicht geht er ins »Roxy« oder noch lieber in den »Venuskeller« oder wie die jeweilige Schlampenrampe in Eurer Stadt auch heißen mag. Dort teilt er den anwesenden Eichkätzchen mit, was er alles weiß, und das ist nicht viel:
    »Ntsntsnts … Hallo, ich bin selbstständiger Systemadministrator … nstnstn … Systemadministrator … ntstnst … selbstständig … ntsts … kommste mit ins Hotel ›Ibis‹, ntststs? Ich hab da ’n Ntststzimmer, zahlt die Firma, sind ja Peanuts für die, haha, ntsntsnt. – Witz gemacht, verstehste?«
    Trotzdem – und leider – vermehrt er sich auf diese Weise.
    Bleibt die Frage: Wie überlebt er? Wie verbringt er die ersten Lebensjahre? Tarnt er sich, wendet er das beliebte Verfahren des Mimikrys an, also verhält er sich zunächst wie ein ganz normaler Mann? Lebt er vielleicht lange Zeit als Schläfer in einer Studenten-WG , eingekifft in seinem eigenen Siff, und leistet sich die ein oder andere Romanze mit einer geruchsblinden Germanistikstudentin? Undwas passiert dann? Erhebt er sich, ganz ähnlich wie die verpuppte Larve der Mehlmotte, eines Tages von seinem Lager und spricht: »Ntsntsntst, jetzt muss ich aber ganz schnell ins Büro, hmmm, ja, geeeenau, da muss ich hin, gucken, dass auch keiner meine Kaffeetasse benutzt, ist nämlich meine. Meine, jaaaha! Die mit der Diddl-Maus drauf ist meine. Meeineee, nststst.«
    Könnte sein. Vielleicht bringen die Muttertiere aber auch Zehntausende von den kleinen Burschen auf die Welt, von denen es jedoch nur einige wenige von den Laichplätzen in Bergisch Gladbach zurück in die Innenstadt schaffen. Die übrigen werden von großen Raubvögeln gefressen, von Mofa-Gangs aufgespürt oder von Bundeswehrkoberern verschleppt. In vielen Fällen ist die Mutter unter Umständen auch zu unerfahren und vergräbt ihre Eier viel zu tief unter ihren Lesezirkel-Abo-Heften oder verschluckt sie in einem vermeintlich gefährlichen

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