Nicht lecker, aber Weltrekord
Moment, also beim Cliffhänger von »Verbotene Liebe«.
Wir merken: Wir wissen viel zuwenig von diesen Zwischenwesen, und das, liebe Tierfreunde, sollte unbedingt so bleiben.
Zur abschließenden Beruhigung möchte ich schließlich erwähnen: Angesichts dieser Entwicklungen ist die Furcht vor Drachen heutzutage vollkommen unbegründet.
Die freie Welt
Autofahren ist wie Klavierspielen: Ich kann es nicht. Natürlich haben ausgewählte Pädagogen versucht, mich in beiden Disziplinen zu schulen, aber das jeweilige Projekt scheiterte stets an meiner Unfähigkeit, alle jeweils notwendigen Elemente zu einem Ganzen zu kombinieren. Am Pianoforte gelang es mir zwar, auf die Noten zu schauen und anschließend die ungefähre Tastenkombination einzugeben, aber mein Hörvermögen und mein Taktgefühl verzogen sich im selben Moment in ihre gesetzlich vorgeschriebene Pause. Muntere Stücke wie zum Beispiel die »Champagnerarie« aus Don Giovanni klangen in meiner Interpretation wie der Trauermarsch, den Marilyn Manson sich für seine Beerdigung ausgesucht hätte. Einmal versuchte meine Klavierlehrerin, meinen Blick vom Notenblatt zu lösen, um das ganze Prozedere etwas zu entzerren beziehungsweise mein Gefühl für die Musik zu erwecken. Nun ja. Bei mir galt immer: ganz oder gar nicht, also schloss ich die Augen und ging in die Vollen. Blind legte ich eine Variation der »Mondscheinsonate« hin, die die apokalyptischen Reiter schon mal ihre Pferde satteln ließ. Ich traf den Takt, aber nichtdie Tasten. Als ich die Augen wieder aufschlug, begriff ich endlich, was meine Klavierlehrerin mit diesem Experiment hatte erreichen wollen: Sie war verschwunden.
Am Lenkrad sah es zunächst vielversprechend aus, da in der Fahrschule mit vierhändigen Stücken begonnen wird. Die ersten dreißig Fahrstunden fuhr ich also Vollplayback, wobei ich ein gewisses Geschick darin entwickelte, die Hände so ans Steuer zu legen, dass es für den flüchtigen Beobachter sehr überzeugend aussah. Theoretisch war ich ein Ass und mein Co-Pilot und ich ein perfektes Team.
»Jetzt zweiter Gang. Genau. Kupplung kommen lassen. Schulterblick nicht vergessen«, sagte ich, und mein Fahrlehrer gehorchte. Gefährlich wurde es erst an dem Tag, an dem ich wieder improvisieren sollte. Meine Leidenschaft für das Instrument ging ausgerechnet beim Vorspielen vor der Jury mit mir durch.
»Vergiss einfach, dass der Prüfer hinten sitzt«, empfahl mir mein Fahrlehrer, ich aber vergaß alles um mich herum. Meines Wissens bin ich die einzige Fahrschülerin, die direkt nach der ersten Ampel aussteigen und in ein Röhrchen pusten musste. Drei Fahrprüfungen vergingen wie im Rausch, bei der vierten waren die anderen Verkehrsteilnehmer gewarnt worden. Sie blieben zu Hause, aber nur für sechs Monate. Als sie sich wieder auf die Straße wagten, gab ich mich geschlagen und stellte die Fahrpraxis ein. Ich begriff, dass die Menschen noch nicht reif waren für meine Kunst.
Ich lebte fortan in Städten, die behindertengerecht eingerichtet sind. Niemand benötigt ein Auto in Kölnoder Berlin. Als ich in Los Angeles lebte, baute ich das städtische Bussystem nach meinen Bedürfnissen aus. Nicht selten riefen die dortigen Verkehrsbetriebe bei mir an und erkundigten sich nach dem aktuellen Fahrplan. Mir zu Ehren errichtete die Stadt von Los Angeles sogar zehn Jahre später ein Denkmal, in der Form eines U-Bahnsystems. Noch immer warten sie darauf, dass ich zurückkehre, um es einzuweihen.
Zu Hause fallen meine Defizite nicht weiter auf. Weder parkt ein schnittiger Wagen in meinem Wohnzimmer, der mir zuflüstert: »Lust auf einen kleinen Ausritt, Honey?«, noch bewege ich mich in Kreisen, deren Angehörige zu vorgerückter Stunde ihre Kummerbünde lockern, die Champagnerflöten werfen und verlangen: »Man spiele zum Tanz auf! Ein Lied auf dem Steinway, vorgetragen von der Hausherrin, das wäre fabulös!«
Als ich jedoch im letzten Sommer entführt wurde, hat meine Unfähigkeit, ein Automobil zu lenken, mich beinahe Kopf und Kragen gekostet.
Auf einer Recherchereise geriet ich unvermittelt in Kriegsgefangenschaft, weil ich die Gegebenheiten vor Ort falsch eingeschätzt hatte. Heute weiß ich, dass Memphis, Tennessee, nicht Duisburg ist. Dort unten gibt es keine Trambahnhaltestelle, die mit knarzender Stimme als »Graceland-Nord, Umstiegsmöglichkeiten in die U5 zu Huckleberry-Fynn-Allee und zu den Baumwollfeldern« angekündigt wird. Der Grund hierfür ist einfach: Elvis hat den
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