Nicht mein Märchen (spezieller Festtags-Preis) (German Edition)
„Mal sehen ob’s klappt.“
Der Klang mehrere harter Schuhsolen auf den Bodenbrettern kündigte weitere Gäste an. Jason kam als erstes durch die Tür und ging direkt lächelnd und mit einem „Hey“ auf mich zu. Ihm folgte ein älteres Pärchen, von dem ich annahm, dass es sich um seine Eltern handelte.
„Lillian,“ stellte sich die Frau mir vor. Sie hatte die Augen ihres Sohnes.
„Doug,“ sagte sein Vater. Beide schüttelten mir die Hand und lächelten.
Als sie sich gesetzt hatten, betraten drei weitere Personen den Raum. „Ich bin die gemeine Schwester,“ kündigte sich eine Frau an, die offensichtlich Jasons Schwester war. Sie hatte dieselben Augen, Haarfarbe und nur etwas hellere Haut. Sie sah hinreißend aus. „Ich heiße Jennifer.“
„Schön, dich kennen zu lernen,“ sagte ich.
Ihr Ehemann war ein gutes Stück älter als sie und hatte dunkles Haar, mit Augen und Haut in der Farbe von Milchkaffee. „Kyle Armijo,“ stellte er sich vor. „Und das ist Kyra.“ Letzteres war an eine junge Frau gerichtet, die mich von oben bis unten musterte, als ob sie mich für einen Wettbewerb gegen sie einschätzen müsste. Ihr Haar war zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden und sie trug Eyeliner und roten Lippenstift, von denen sie wahrscheinlich annahm, dass diese sie kultiviert aussehen ließen. Tatsächlich ließ es sie sogar jünger als sechzehn wirken, wie ein kleines Mädchen, das Erwachsene spielen wollte.
„Hi,“ sagte ich zu ihr.
Ihre dunklen Augen wurden schmaler und ihre Mundwinkel zuckten leicht. „ Hi ,“ antwortete sie.
„Kyra,“ ermahnte sie ihr Vater.
Sie schoss Jason einen giftigen Blick zu.
Er reagierte nicht. „Hi Kyra,“ sagte er nur.
In einem Chorus von schabenden Stuhlbeinen setzten sich alle an den Tisch und die Kellner brachten Körbchen voller Sopaipillas. Jason langte über den Tisch und legte eine auf meinen Teller bevor er den Korb herumreichte. Das warme, weiche Brot war gerade erst aus dem Öl genommen worden und knisterte noch ein bisschen. Ein Topf Honig wurde herumgereicht, ich riss eine Ecke meiner Sopaipilla ab und tunkte es etwas ein. Die flockige Oberfläche zusammen mit dem warmen, süßen Honig schmeckte himmlisch.
„Ich verbiete dir, diese Dinger zu verändern,“ sagte Jason zu Jennifer.
„Sei still,“ antwortete sie. „Noch eine?“ Sie legte eine zweite auf seinen Teller.
„Hey-“
„Keine Ratschläge von dir!“ Sie lächelte.
„Siehst du wie gemein sie zu mir ist?“ Er riss seine zweite Sopaipilla in der Mitte durch und legte eine Hälfte auf meinen Teller.
„Ohhhhh,“ flüsterte Kyra leise.
„Kyra,“ sagte ihr Vater abermals.
Jason hatte recht. Dieses Kind konnte ihn wirklich nicht ausstehen. Sie schlug ihre Wimpern auf und sah ihren Vater an.
Das Essen wurde gebracht. Es sah nicht danach aus, als würden wir heute einen Blick in die Speisekarte werfen. Die Familie hatte schon vorab bestellt. Nicht, dass mir das was ausmachte. Es gab in diesem Restaurant keine Speise die ich nicht mochte. Ich bekam einen gemischten Teller mit einer Enchilada, gefüllten Chilis und drei Taquitos. Viel mehr als ich essen konnte, die Portion Reis und das Bohnenmus nicht mal eingerechnet.
„Möchtest du meine Taquitos?“ fragte Jennifer ihren Bruder.
„Nein.“
Sie legte sie auf seinen Teller.
Einer davon landete bei mir. Die älteren Vanderholts fragten, ob jemand ein Problem damit hätte, wenn sie zuerst ein Tischgebet sprächen – also hielten wir uns erst alle bei den Händen während sie dies taten und langten dann ordentlich zu. Ich war diesem Restaurant zu lange fern geblieben. Während ich mich durch meine gefüllten Chilis arbeitete, begann ich mich zu sorgen, dass ich es wirklich schaffen könnte meinen Teller leer zu essen.
„Also, wer bist du?“ fragte mich Kyra.
„Kyra. Du bist nicht zu alt um zur Strafe im Wagen warten zu müssen,“ mischte sich ihr Vater ein.
Sie bedachte ihn mit einem finsteren Blick.
„Mein Name ist Chloe.“
„Bist du von hier?“
„Ja, ich bin aus der Gegend. Bin hier aufgewachsen.“
„Welche High School?“ fragte Kyra.
„Rio Grande.“
„Alles klar, Rio.“ Er blinzelte mir zu. „Gute Schule.“
„Rio Ghetto,“ flüsterte Kyra.
„Willst du unbedingt ins Auto geschickt werden?“ fragte ich genauso leise zurück. „So schlimm, neben mir zu sitzen?“
Sie biss sich auf die Lippen und wandte sich ab, als hätte ich sie ins Gesicht gepiekt.
„Und auf welche Schule gehst
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