Nicht ohne Beruf (German Edition)
Er kam nie wieder.“
„Und in der Ostzone gab es für die Fam ilien auch keine Unterstützung.“
„Sie mussten noch froh sein, dass sie als Angehörige eines ‚Kriegsverbrechers‘, das waren sie ja in den Augen der Russen,
unbehelligt blieben. Dorchen wohnte mit ihren halbwüchsigen Jungs in einer kleinen anderthalb Zimmer Mansardenwohnung. Um über die Runden zu kommen, musste die kleine Frau Hausmeisterpflichten erfüllen. Schneeschippe n auf einem Eckgrundstück. Später fand sie eine Putzstelle in einem Postamt. Aber was sollte sie tun? Sie hatte keinen Beruf erlernt.“
„Mutti, lass dich knuddeln: Ich war und bin so stolz auf dich, dass du so eisern auf einen Beruf hingearbeitet hast! Ich ve rstehe nicht, wie es heutzutage immer noch Mädchen gibt, die meinen, ohne Berufsausbildung durchs Leben zu kommen.“
„Heute verlassen sich alle auf Vater Staat. Wir mussten damals Selbstverantwortung übernehmen; waren wir doch praktisch alle ‚Alleinerziehende‘.“
„War vielleicht sogar ein Glück! Diejen igen, wo die Männer kaputt aus dem Krieg zurückkamen, die waren doch beschissen dran. Die Frauen mussten oftmals mit Handarbeiten ihre Männer noch mit durchfüttern. Ich kannte einige,“ erinnert sich Margret.
„Wir brauchten damals mehr Kraft als wir hatten, denn am Wochenende wurde von uns verlangt, uns als Trümmerfrauen zu betätigen. Noch bevor d u, Margret, zu uns in die Dienststelle kamst, waren wir an einem Krankenhaus eingesetzt. Straßen mussten noch vom Schutt der letzten Bombardierungen freigeschippt werden und in den Ruinen die Ziegelsteine geklopft, also mit einem Hammer vom Mörtel befreit, und aufgestapelt werden zur Wiederverwendung. Handschuhe hielten diesem rauen Material nicht stand, und meine Hände mitunter auch nicht. Voller Blasen waren sie. Die schweren Schaufeln voller Schutt taten auch der Wirbelsäule nicht gut.
Einen Vorteil hatte auch dies: Klagten wir über Wirbelschäden, hieß man uns, einen Schwerbeschädigten-Ausweis zu beantr agen. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen!
Trotz des Kampfes ums tägliche Brot gab es auch lustige Ereignisse. Im Kino lief damals ein Film über eine Familie Buc hholz. Erinnerst du dich? Was der Inhalt war, weiß ich auch nicht mehr. Jedenfalls spielten wir, das Röntgenpersonal, das nach. Dazu brachte die Klappertsche …“
„Ja, das soll ja so ein Urvieh gewesen sein! Als ich kam, war die aber nicht mehr im Röntgen.“
„Richtig. Die lebte damals noch mit ihrer alten Mutter zusammen. Aus dem Sammelsurium ihres Hausstands brachte sie alle möglichen Klamotten mit. Sie selbst, in der Rolle des Vaters, legte sich einen steifen Vatermörder um, ich als Mutter schlüpfte in ein unmögliches Kleid. Und Kati, unser Kind, bekam so eine lange Wickelunterhose angezogen, deren Spitzenbesatz an den Hosenbeinen unter dem kindlichen Kleid hervorschaute. Wir stiegen alle durchs Laborfenster und tobten draußen auf dem Dach des angebauten Flachbaus der darunter gelegenen AOK.
Wahrscheinlich hatte der Herr Direktor gerade sein Arbeitszimmer dort. So ließ seine Beschwerde nicht lange auf sich warten: „Sie sind auf meinem Dach herum getr ampelt!“
Wir haben schallend gelacht.
Die Klappertsche war auch im Kartenlegen und Traumdeuten gut und musste uns oft etwas aus den Karten sagen. Aber ob sie sich selbst je aus den Karten gelesen hat, was ihr noch bevorstand?“
Leni erinnert sich der komplizierten Zeiten:
„Ja, die Klappertsche, später die Frau unseres Chefs! Bei einem Bombenangriff wurde seine Wohnung so sehr beschädigt, dass sie nicht mehr beheizbar war. Seine erste Frau holte sich eine schwere Angina, wovon sie sich nicht mehr erholte und ganz plötzlich am Frühstückstisch starb.
Der Witwer mit zwei Söhnen, die noch zur Schule gingen! Für uns alle kam zu dem Schreck noch die Frage, wie wir ihm helfen könnten.
Auch sein Schrebergarten war nur noch ein Bombentrichter, und ich half ihm dort. Aber mehr? Wir hielten Kriegsrat im Dienst. Kati war zu jung, ich hatte meine Uta. Also fiel dann das Los auf die Klappertsche. Ihre Wohnung war sehr groß, so dass bald die Jungen bei ihr einzogen. Es war eine reine Vernunftehe. Aber so hatte der Doktor mit seinen Söhnen wieder ein richtiges Zuhause. Im Rahmen der Dezentralisierung übernahm er bald eine Außenstellen.
Sein Nachfolger im Röntgen war mit seiner Familie aus Riga geflüchtet.
Kati, war noch im Krieg fürs Röntgen a ngelernt worden.“
„Und in der Zeit hatte ich
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