Nicht ohne Beruf (German Edition)
britischen RAF. Am 15. April 1945 wurde der westalliierte Bombenkrieg gegen Deutschland offiziell eingestellt.
Am 18. April, eine reichliche Woche nach dem letzten Großangriff, nahm die 69. Infanteriedivision der 1. US-Armee Leipzig ein.
Die Sowjetarmee war angehalten, Berlin einzunehmen. So war bald klar, dass die Amis zuerst zu uns kommen würden. D arüber waren wir sehr froh. Trotzdem wurde vor dem Tag des Einmarsches die Chaiselongue in den Kohlenkeller geräumt, damit wenigstens Uta lang liegen könnte, wenn wir dort unten übernachten müssten.
Ja, ich musste dort unten hocken! Die großen Jungs aber liefen den Amis, die über den Heuweg anmarschierten, entg egen und kriegten Schokolade geschenkt! Als es keine Schokolade mehr gab, :
Wir trauten uns wieder hinaus. Zu kaufen gab es nichts. Mitunter hieß es, beim Ross-Schlächter würde es Pferdefleisch geben. Von früh sechs Uhr angestellt bis weit in den späten Nachmittag. Mit der Nachbarin Tante Bohl wechselten wir uns ab. Aber die Menschenschlange vor uns! Als wir bis zum Verkaufsraum vor kamen, war das Fleisch längst ausverkauft. Mit etwas G ehackten trat ich den Heimweg an. So gab es doch noch ein leckeres Abendbrot von Mama zubereitet.
Ja, der Krieg war aus, aber Frieden war es nicht. Die Sorgen gingen weiter. Es war fast wie eine Wiederholung der Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg, nur diesmal mit Amerikanern, die alles zu bestimmen ha tten. Später mit Russen.
Mit der Frau, die eine Etage unter uns wohnte , und ihrem Sohn Manfred machten wir einen Sonntagsspaziergang zum Schillerhain. Dort in der Nähe stand die Schokoladenfabrik Felsche. Es wurde gemunkelt, sie sollte zum Plündern freigegeben werden. Als wir hinkamen, waren die Tore weit geöffnet. An der Seite stand ein farbiger Soldat, das Gewehr geschultert. Viele Menschen stürmten hinein. Plötzlich waren auch unsere Kinder verschwunden.
Natürlich hatten wir beide unsere Son ntags-Ausgeh-Kleidung an! Darauf konnten Manfred und ich aber keine Rücksicht nehmen, als wir uns das Blech mit Konfitüre vor die Bäuche klemmten und den weiten Heimweg antraten. Mir zog es fast die Arme raus!
Unsere Mü tter waren schon vor geraumer Weile gemütlich heim gewandelt. Und nichts, aber auch gar nichts hatten sie organisiert!
Warnschüsse signalisierten das Ende der Aktion.
Das Kohlen Sammeln auf dem Wahrener Güterbahnhof wurde ebenfalls durch Warnschüsse der Amis abgebrochen.
Die Zeit der amerikanischen Besatzung endete. Wir wurden gegen ein Stück Berlin eingetauscht, und die Russen kamen.
‚ Der Termin für den Abzug der amerikanischen Truppen aus Thüringen, Sachsen und West-Mecklenburg wurde in einem Telegramm zwischen Präsident Truman und Marschall Stalin vom 16. Juni 1945 vereinbart: Die sowjetischen Truppen rückten am 1. Juli 1945 in diese Gebiete ein.‘ (nach Auskunft des Deutschland-Archives )
Nochmals begann eine schreckliche Zeit.
Zum Plündern brauchten wir nun nicht mehr zu gehen, das besorgten die Russen selbst. Ganze Fabrikanlagen, wie Bleichert, wurden abmontiert und verladen.
Die Russen nahmen alles, auch das was niet- und nagelfest war, mit gen Osten.
Hunger wurde großgeschrieben.
Von Muttis Kollegin lernte ich ‚zeitgenössige‘ Lieder, nach der Melodie der ‚Capri-Fischer‘:
das Lied vom Kohlenklauen :
Wenn zu Hause das kleine Baby vor Kälte weint
Und das Wetter zum Kohlen Klauen geeignet scheint,
zieh‘n Gestalten mit ihren Säcken zur Bahn hinaus
Und sie schauen trotz Sturm und Kälte nach Kohlen aus.
Und sie schauen und starr‘n und blicken die Gleis entlang,
weil von fernher ein schriller Pfiff durch den Abend klang.
Und von Mund zu Mund die bange Frage fällt:
„Ob er hält? Ob er hält?“
Bella, bella, bella Marie, halt den Sack auf, heute klappt’s wie noch nie!
Bella, bella, bella Marie, jetzt oder nie!
Seht den Lichterschein auf dem Schienenstrang!
Ruhelos und klein, was kann das sein?
Was kommt die Gleise dort entlang?
Es klingt fast wie ein Kohlenzug, der nach der Großstadt will.
Hört, die Bremse, sie kreischt,
der Kohlentransport, er hält.
Wie ein Bienenschwarm die Meute über den Zug herfällt.
Und sie springen von hinten auf die Wagons hinauf,
und sie füllen ihre Säcke mit Kohlen bis obenauf.
Plötzlich hört man aus weiter Ferne den schrillen Schrei:
„Macht euch dünne, Kollegen! Jetzt kommt die Polizei.“
Und man hört das Wort auf jeden Schritt und Tritt:
„Komm Se mit! Komm Se
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