Nicht ohne Beruf (German Edition)
Bombennächten zu entgehen. Er sucht mich in Gohlis, wo wir wohnen. Ich bin nicht da. Die Straßenbahnen fallen aus. Heimgekommen finde ich eine Nachricht von ihm. Es ist spät und kalt. Ich gehe doch noch in die Eisenbahnstraße (Omi Annas Wohnung). Per Zufall schließt mein Wohnungsschlüssel an der Haustür. Also komme ich bis zur Wohnungstür in der vierten Etage.
Erich will mich nicht einlassen, aber ich habe schon einen Fuß im Türspalt. Ich ahne es: Er hat eine andere Frau mit in der Wohnung. Ich weigere mich, bei Nacht und Kälte den weiten Heimweg anzutr eten. Ich bleibe im kleinen Zimmer, zwei Räume weiter frönen sie dem neuen Bratkartoffel-Verhältnis.
Erich hatte unterwegs an einer Haltestelle Elsa angequatscht und ihr Mitleid erregt. So kam sie mit ihm, um ihm etwas zu essen zu machen. Die Geschichte mit den Bra tkartoffeln hat sie später in einem Büchlein festgehalten.
Ich wunderte mich über Erichs Verhalten. Er hatte noch Klamotten in Sorau, bei Eilenburg. Ich weiß nicht, ob ich mich ang eboten hatte, diese zu holen. Dämlich!
Soviel ich später tuscheln hörte, hatte Omi Anna meiner Mutti aufgetragen, einen Koffer mit Vatis Sachen irgendwoher oder i rgendwohin zu schaffen. Da drin sei der von ihm benötigte Anzug für die bevorstehende Hochzeit in Prag gewesen!
Wenn das nicht heimtückisch ist!
Wie dem auch sei. Eines Tages bekam ich einen Brief mit dem Inhalt: „Ich habe mich mit Frl. Dr. Elsa K. verlobt!“
Ich dachte, mich trifft der Schlag. So ein Feigling, so etwas schriftlich zu vermitteln! Die letzte Zeit war nämlich ganz harmonisch. Es hatte den Anschein, alles wäre wieder im Lot.
Waren sie doch in der Zeit bei mir in Oberschöna und haben in Ehebetten geschl afen!!! Man bedenke!
Wir, Erich und ich, bearbeiteten gemei nsam Omis Steuerunterlagen. Selbst sie zeigte sich nicht mehr so abweisend. Wahrscheinlich akzeptierte sie mich nun doch als die Zukünftige, hatte ich gedacht. Sie weihte mich sogar ein, wo sie ihre wertvollen Sachen verschanzt hatte. Außer Meisner Porzellan besaß sie noch einiges und darunter recht Kostbares.
Nun aber schoben sie mich aufs Abstel lgleis.
Die Erklärung: Vatis und Elsas Sohn kam kurz vor Weihnachten 1944 in Prag zur Welt.
Als Erich nach dem Krieg Leiter einer Molkerei in Lützen war, sorgte er doch auch für uns. Tauschgeschäfte! Volkeigentum verschoben?
Für Butter konnte er vieles bekommen, auch Textilien. Selbst Briketts landeten vor unserem Kellerfenster. Leipzig steht ja auf Braunkohle.
Uta fuhr hin und wieder, besonders zu Kindergeburtstagen und in den Ferien, nach Lützen.
Dieses schreibe ich nach Romis Tod:
Es ist schön, wie sehr sie sich mit dem A lter nur noch an das Angenehme von Vati erinnert. Gegen Ende ihres Lebens, beide haben die 90 überschreiten dürfen, waren sie als Einzige noch übrig geblieben und konnten Erinnerungen austauschen. Ihr Verhältnis war das von Geschwistern.
A uch da konnten sie sich noch kabbeln.
W ar Vati in München bei uns, übernachtete er mit in Muttis Wohnung. Eines Morgens nach Vatis Besuch, kam sie heulend zu uns und beklagte sich.
Die beiden hatten noch Karten gespielt.
„Da hat er gesagt, meine Karten würden kleben und hat sie mir einfach ins Gesicht geschmissen!“
Ab da wurde er dazu verdonnert, in einer Pension zu übernachten. Das akzeptierte er auch klaglos.
Während Vatis Lützener Zeit musste Mutti einiges über sich ergehen lassen.
Mit der Straßenbahn fuhr ich bis zum Bahnhof Plagwitz und nahm von da den Zug. In Lützen ging es vorbei an der Zuckerrübenfabrik, deren penetranten Gerüche die ganze Straße füllten, dann an Gustav Adolfs Gedenkstätte, einem Stückchen schwedischen Staatsgebietes, hin zu Molkerei.
Als ich wieder einmal draußen bei ihnen war, gaben sie – Vati und Elsa – mir einen Brief für Mutti mit.
Sie saß am Wohnzimmertisch, als sie ihn öffnete und las. Danach fing sie bitterlich an zu weinen.
„Mutti, hör auf! Wenn du heulst, muss auch ich weinen!“
So wie bei anderen Menschen das Gähnen ansteckt, so wirkte es auf mich, wenn Mutti weinte.
Aber sie hörte nicht auf. Zornestränen kamen hinzu und sie knüllte den Brief zusammen und schleuderte ihn in die näch ste Ecke.
Vati und Elsa wollten, dass Mutti mich ihnen übergeben, das Sorgerecht an sie abtreten sollte. Sie unterstellten ihr, sie kö nne mich ja nicht richtig erziehen.
Es gab in dieser Zeit auch noch andere Schikanen, auch von Omi Anna.
Was Wunder,
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