Nicht ohne Beruf (German Edition)
als Dritte im Bunde, wenige Jahre nach Kriegsende, zu euch gefunden. Ich erinnere mich, der Chef stellte einen Plan auf, damit jede mal eine Woche aus den Sekundärstrahlen, wie er es nannte, heraus käme. So ergab sich ein Dreier-Turnus.“
„Eine Woche nur Schreibarbeiten. Das war nicht nach meinem Geschmack“, e rinnert sich Leni. „Aber jetzt waren meine Steno-Kenntnisse wieder von Nutzen! Der Doktor diktierte seine Durchleuchtungsbefunde gleich ins Stenogramm, das dann zum Tippen ging. Nicht ganz selbstverständlich: Wir konnten alle drei untereinander unsere Stenogramme lesen.“
„Ja, wir waren schon gut in unserem B eruf. Paar Jahre später haben wir drei ja auch noch eine Prüfung abgelegt.“
„Ach ja, das soll ich nicht vergessen! Das muss ich auch noch aufschreiben.“
„In so einer Arbeitsgruppe, wenn sie gut funktioniert, da kann man sich wohlfühlen. Da konnte man auch seine kleinen und großen Sorgen teilen. Aber jetzt im Alter, so alleine, das ist schon recht beschissen! Du hast Glück, du hast deine Uta.“
Leni streichelt mir lächelnd die Hand, und ich bin leicht verlegen – aber glücklich.
Doch Margret fährt fort. „Weißt du, als ich jung war, war ich zu feige, mir ein uneheliches Kind anzuschaffen. Da gehörte ja doch Mut dazu. Du hattest ihn, und Hilde Ba. aus dem Labor mit ihrer Ulla auch. Aber ich dachte zu sehr an die Meinung anderer, auch meiner Familie. Heute, wo es zu spät ist, bereue ich es.“
Margret wischt sich verstohlen eine Träne von der Wange.
„Ich hätte darauf pfeifen sollen, dann wäre ich heute nicht so allein. Vielleicht hätte ich dann auch Enkelkinder wie du. – Leni, du hast das goldrichtig gemacht, auch wenn es mitunter schwer gewesen war.“
Unser Leben in der DDR
Im Dienst gab es in den Jahren nach dem Krieg immer mal wieder Veränderungen: Wir, die ehemalige LVA, wurden der AOK, Allgemeine Ortskrankenkasse, angeschlossen. Und so nahm wenigstens die Arbeit wieder normal ihren Lauf.
Später kamen wir dann zum Gesundheit samt, und noch später unterstanden wir dem Rat der Stadt.
Noch sehr viel später sorgte das bei me iner Rentenberechnung in Berlin bei der BfA für Wirrwarr.
Unsere Dienststelle wurde umbenannt, vom Vertrauensärztlichen Dienst in Beratungsärztlichen, abgekürzt BäDi.
Zu uns kamen Patienten von der AOK, die schon recht lange , wie man sagte, krank feierten oder Kasse machten. Wir mussten begutachten, ob dies berechtigt war.
Dr. F., der früher im Baltikum in der SU gelebt hatte, sprach fließend Russisch. Deshalb wurde er vom Leiter des Gesundheitsamtes gefragt, ob er auch die Familien der russischen Offiziere untersuchen könnte. Er akzeptierte, doch ohne eine Assistentin ging das ja nicht. So röntgten Kati und ich russische Damen.
Die Russen hatten eine wunderschöne Villa am Kickerlingsberg beschlagnahmt und zur Poliklinik umgebaut und eingerichtet. Wir röntgten an einigen Nachmittagen auch dort. Rasch lernten wir die nötigen Anwe isungen auf Russisch: dischi, nje dischi!
Bezahlt wurde das wirklich nicht schlecht! Doch dann folgte die Währungsreform und alles war ins Nichts verpufft!
Infolge der Bombardierung war die Praxis eines Orthopäden demoliert. Er bezog Räume im so genannten Zander-Saal der AOK. Seine Patienten schickte er zum Röntgen gleich hoch zu uns, da wir ja im selben Haus waren. Es kamen Kinder mit angeborener Hüftgelenk-Luxation.
So kam auch eine Frau vom Land mit ihrem kleinen Mädchen. Dankbar für jede Hilfe überreichte sie uns Fettbrote. Ich las in ihren Personalien: Kleinschkorlopp.
D as ist ja gleich neben Großschkorlopp, wo Erichs Tante mit einem Molkereibesitzer verheiratet war. Die Oma war dort einquartiert, als ihr Stift noch zum Teil ausgebombt war. Nach Kriegsende war ich schon zu Zeiten der amerikanischen Besatzung ein paar Mal hingefahren, und hatte eine große Dose Quark bekommen.
Beim nächsten Besuch dort sagte ich mir, als ich an Kleinschkorlopp vorbeigehen musste, sieh zu, ob da nicht ein paar Ka rtoffeln zu haben sind.
Eine hochschwangere Bäuerin traf ich dort an. Im September würde sie ihr drittes Kind erwarten. Ein Wort gab das andere, ich bot mich an, irgendwie ein bisschen zu helfen. Nachdem die Fremdarbeiter wieder in ihre Heimatländer gezogen waren, hatte sie keine Hilfe auf dem Gehöft.
Meine Dienstzeit endete ja bereits um 14 Uhr, auch am Wochenende könnte ich kommen. Sie war erst skeptisch, ob ich überhaupt eine Ahnung von
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