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Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Titel: Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meral Al-Mer
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tauschen sich aus, die Emotionen in ihren Stimmen nehmen zu, wieder fließen Tränen, die Vergangenheit tut weh. Ich verstehe wenig, denn sie sprechen arabisch miteinander, und diese Sprache beherrsche ich kaum. Saliha und ihr Vater rufen wieder wach, was damals geschah, als Hamid mich entführte und als er Mourad holen kam. Die Frau meines Großvaters bringt uns erfrischende Getränke und aufgeschnittene Früchte.
    Irgendwann halte ich es nicht mehr aus in diesem Raum, in dem Klagen und Vorwürfe widerhallen. Gemeinsam mit Beate gehe ich hinaus in den Hof, um mich ein bisschen umzusehen, um meine Gedanken zu ordnen und um zu verarbeiten, was gerade mit mir geschieht. Ja, was geschieht mit mir?
    Die Räume, durch die wir gehen, sind nach arabischer Art fast leer; es gibt kaum Möbel, hier und da ein Tischchen in einer Ecke, zusammengerollte Teppiche, mit denen man das Zimmer im Handumdrehen in einen gemütlichen Divan verwandeln kann, so wie drüben im Nachbarraum, aus denen die Stimmen meiner Mutter und ihres Vaters herübertönen. Als wir vor einer Porträtaufnahme meines Großvaters stehen bleiben, die an einer der minzfarbenen Wände hängt, frage ich Beate: »Und was jetzt? Wir könnten eigentlich wieder fahren. Jetzt hab ich meinen Großvater ja getroffen.«
    Im Grunde genommen ist es doch meist der erste Eindruck, die erste Begegnung, bei der unsere wahren Gefühle sehr rein zum Ausdruck kommen, und das, was danach geschieht, verwischt diese Eindrücke nur. Ich fühle mich immer unbehaglich, wenn Menschen beisammensitzen und über Abwesende schimpfen, ich mag die Energie nicht, die dann entsteht. Sollten wir also nicht besser bald wieder fahren, ehe der Groll, den die Erzählungen aus der Vergangenheit aufrühren, den kostbaren Moment des ersten Treffens mit meinem Großvater überdeckt? Eben höre ich, wie meine Mutter und ihr Vater über meine Oma Halima schimpfen. »Sie ist gestorben«, sagt mein Großvater gerade, »aber sie wird nicht einmal von Weitem den Geruch des Paradieses wahrnehmen!« Mir tut das weh, denn Oma Halima war die einzige Frau in meiner Kindheit, die mir Liebe und Wärme schenkte.
    »Vielleicht möchtest du deinen Großvater noch ein paar Sachen fragen?«, schlägt Beate vor. »Jetzt bist du hier. Wer weiß, wann du wiederkommst.«
    Sie hat recht. Doch was könnte ich ihn fragen mit meinen schlechten Arabischkenntnissen?
    »Vielleicht«, fährt Beate fort, »könntest du ihn um seinen Segen bitten?«
    Ich fahre herum.
    »Segen?«, frage ich nach. »Was heißt denn das? Was soll das sein? Ich kann doch kaum Arabisch. Wie um alles in der Welt soll ich ihn um so etwas bitten?«
    Ich gehe durch den Garten, steige auf die Dachterrasse. In mir tobt ein Wirrwarr von Gefühlen. Ich blicke in die Ferne, wo hinter einem Schleier aus Dunst Antakya liegen muss. Drehe mich um und denke: »Von dort kommt deine Familie. Nomaden. Von Nomaden stammst du ab.«
    Schließlich gehen wir zurück zu den anderen. Eben als ich mich hinsetze, sagt mein Großvater: »Mein Kind, du siehst deinem Vater unglaublich ähnlich.« Ich erstarre. Genau das habe ich befürchtet. Und dachte ich eben nicht selbst beim Hereinkommen, während ich versuchte, mich »unauffällig« wieder dazuzumogeln, so als sei ich gar nicht weg gewesen, dass es exakt die Bewegungen meines Vaters sind? Genau so hat mein Vater immer versucht, sich aus der Affäre zu ziehen. Mein Herz wird ganz schwer. Wird er mich jetzt ablehnen? Muss man eine Enkeltochter nicht ablehnen, die man mit dreißig Jahren zum ersten Mal sieht und die so sehr das Ebenbild des verhassten Schwiegersohnes ist?
    Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und stelle meinem Großvater ein paar Fragen, die ich immer schon beantwortet haben wollte. Es geht um die Sitten und Gebräuche der syrischen Nomaden, unserer Vorfahren. Er beantwortet sie mir knapp und freundlich. Und dann auf einmal heißt es: »Wir fahren nach Hause.«
    Kurz stehen wir noch im Hof herum. Saliha sagt zur Frau meines Großvaters: »Du hast aber schöne Blumen!«
    »Willst du was haben?«, fragt die freundlich. »Sag, was du willst, und wir machen Ableger!«
    Und schon schreiten sie zur Tat. Ich sehe ihre Köpfe, von ihren Tüchern verhüllt, wie sie sich gemeinsam über Beete und Blumenkübel beugen. Mein Großvater steht in einer Ecke des Hofes und sieht auf einmal alt und zerbrechlich aus in seinen schwarzen Kameltreiberhosen. Dann holt er Zeitungspapier und hilft mir ganz behutsam, die Pflanzenableger

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