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Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Titel: Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meral Al-Mer
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Steinen, die kurz nach ihrer Heirat von meinem Großvater kopfüber an der Decke aufgehängt und ausgepeitscht wurde. Sie hatte eine große Narbe im Gesicht, und wenn ich sie fragte: »Oma, wo hast du die her?«, dann antwortete sie: »Da hat mich ein Esel getreten.« Nur dass der Esel mein Großvater war, der einen Aschenbecher nach ihr geworfen hatte.
    Wie konnten diese Frauen, ohne die ich nicht hier wäre und deren Gene ich in mir trage, dieses Leid ertragen, ohne dagegen aufzubegehren? Ich kenne die Antwort nicht. Ich weiß nur eines: Dass ich diesen Kreislauf durchbrechen muss, ja, schon lange durchbrochen habe, und damit auch das Tabu der Unantastbarkeit väterlicher Gewalt. Dagegen stand ich auf und zog vor Gericht. Ich bekam Recht – und bezahlte einen hohen Preis dafür. Jahrelang fürchtete ich um mein Leben. Noch heute werde ich von meiner Familie mehr oder weniger geächtet. Und doch weiß ich, dass es richtig war, es zu tun. Aus einer muslimischen Familie stammend führe ich heute das Leben einer unabhängigen, selbstbestimmten, modernen Frau.
    Es war einmal eine andere Frau, die dies versuchte: Hatun Sürücü, die sich Aynur nannte – Mondlicht. Sie wollte nichts anderes, als so zu leben, wie sie es sich wünschte. Frei sein. Selbst über sich entscheiden. Glücklich sein, so wie sie sich Glück vorstellte. Ihre Familie ließ es nicht zu. Drei Kugeln in ihrem Kopf bereiteten ihrem Leben im Alter von dreiundzwanzig Jahren ein Ende. Das war 2005, und wenn die Schüsse auch von einem ihrer Brüder abgefeuert wurden, so war es doch ihre gesamte Familie, die hinter dieser Tat stand. Es war der erste Ehrenmord in Deutschland, der so genannt wurde, doch Hatun war beileibe nicht die erste Frau, die ihn erlitt. Wie viele Frauen sind vor Hatun Aynur von ihren Familien hingerichtet worden? Tausende? Abertausende?
    Hatun war ungefähr so alt wie ich. Als ich mich mit ihrem Schicksal befasste, war ich von den Parallelen zwischen ihrem und meinem Leben so betroffen, dass ich tagelang nur noch weinen konnte. Noch heute kommen mir die Tränen, wenn ich auch nur an sie denke.
    Hatun musste sterben. Dass ich noch lebe, ist alles andere als selbstverständlich. Ich wurde so schwer misshandelt, dass ein Schlag mehr, ein etwas stärkerer Würgegriff, einer der vielen Treppenstürze mich leicht hätte töten können. Wie oft fühlte ich den kalten Lauf einer geladenen Pistole an meiner Schläfe und hörte die Frage: »Willst du sterben?«
    Ja, damals habe ich ihn mir oft gewünscht, meinen Tod. Ich wollte lieber aufrecht sterben als auf Knien leben. Es gab Zeiten, da war das Leben eine Strafe. Heute lebe ich gern, und ich bin froh, dass ich, im Gegensatz zu Hatun, berichten kann, dass es auch für eine türkisch-arabische Frau ein Leben nach der Familie gibt.
    Und so begann ich, mich mehr und mehr meinen Erinnerungen zu stellen, so schmerzhaft sie auch sind. Woran ich mich nicht mehr erinnerte, versuchte ich zu rekonstruieren. Ich begann, Kontakte zu knüpfen und Fragen zu stellen. Und nachdem ich all die traumatischen Erlebnisse noch einmal durchlitten hatte, wagte ich es, mich auch an die schönen Dinge zu erinnern. Denn dies soll kein Buch der Abrechnung werden, keine Geschichte in Schwarz und Weiß, denn kein Mensch hat nur böse Seiten. Wo Schatten sind, da ist auch ganz viel Licht. So wie bei meinem Vater, den ich als Kind mehr liebte als alles andere auf der Welt. Auch wenn er für seine Familie immer mehr zum Monster wurde, so war er doch auch der hilfsbereite, weltgewandte, schillernd charmante und inspirierende Vater, um den mich alle Freundinnen beneideten.
    Ich möchte verstehen, wie es dazu kommt, dass Männer wie mein Vater es für nötig halten, wehrlose Kinder und Frauen zu misshandeln. Nur das, was wir verstehen, können wir versuchen zu verändern.
    Und schließlich begann ich, eine Reise vorzubereiten, auf die ich mich freue und vor der ich mich gleichzeitig mehr fürchte als vor allem anderen: die Reise zu Saliha, der Frau, die mich geboren hat.

1
Hamids Träume
    A ls ich Anfang der achtziger Jahre in Mönchengladbach-Rheydt zur Welt kam, war die Ehe meiner Eltern bereits die reinste Katastrophe. Eine Fotografie zeigt meine Mutter im Krankenhausbett, eine Schönheit im orientalischen Prinzessinnennachthemd, ihr wunderschönes Gesicht von dunklem Haar in weichen Wellen umrahmt. Es nützte ihr nichts. Mein Vater wollte keine Kinder, doch Saliha, die hoffte, dass Nachwuchs ihn sanfter stimmen würde,

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