Nicht schon wieder Champagner! - The Ex-Debutante
allein, allein. Und ob ich mich nicht zu dir
setzen würde, damit es nicht so aussieht, als hättest du auf der ganzen Welt keine Freunde.«
Unter Jacks und Racines Blicken stieg mir heißes Blut ins Gesicht. Und ich schwöre, diese Frau lächelte schadenfroh.
Stocksteif stand ich da und beobachtete die Leute in meinem Blickfeld. Genauer ausgedrückt, die Paare.
Mutter und Vincent.
Henry und Janice, die fröhlich lächelte, obwohl sie das altmodische Debüt ihrer Tochter immer noch hasste.
Jack und Racine.
Und ich - mit meiner alten Großtante.
Nein, das ist mir nicht peinlich, redete ich mir ein. Natürlich bin ich stärker als die typische Frau, die sich nur über einen Mann identifiziert. Lässig und überlegen würde ich intelligente Konversation machen. Doch dann tat ich, was jede Frau tun würde, die noch einen Funken Selbstachtung besitzt.
»Wenn ihr mich entschuldigen würdet …« Ich eilte davon, so schnell, wie ich es wagte, ohne den Eindruck zu erwecken, ich würde flüchten. In meinem Rücken spürte ich Jacks stechenden Blick.
Bald vergaß ich ihn, denn hinter den Kulissen brachte mich das Lampenfieber der Mädchen auf andere Gedanken.
»Mein Haar!«
»Mein Make-up!«
»Meine Schuhe!«
Die hysterischen Debütantinnen und ihre lächerlichen Sorgen waren genau das, was ich brauchte. Pflichtbewusst
reparierte ich derangierte Make-ups, zupfte Kleider zurecht, die plötzlich zu eng oder zu locker saßen, und rettete sogar komplizierte Frisuren, die sich aufzulösen drohten.
Bald waren die Mädchen bereit - und die Väter fast genauso nervös wie die Töchter. Die Präsidentin des Symphony-Association-Society-Komitees, Yolanda Shoemaker, stieg auf das Podium und bat um allgemeine Aufmerksamkeit. Da ich hinter der Bühne zwischen den Vorhängen hindurchspähte, konnte ich nicht den ganzen glanzvollen, mit schön gekleideten Leuten gefüllten Ballsaal sehen. Ich entdeckte ein paar Senatoren, auch der Gouverneur war eingetroffen. Doch ich hatte nur Augen für Indias fast leeren Familientisch. Daran saßen nur Jack und Racine, als hätten sie die Absage der Blairs nicht erhalten.
Janice stellte sich neben mich und schaute ebenfalls hinaus. »Kommt sie wirklich nicht?«
»Sieht so aus. Obwohl ich alles versucht habe. Ich habe den Vater und die Großmutter angerufen. Offensichtlich hat sie’s ernst gemeint.«
»Was sollen wir tun?«
Keine Ahnung … Vielleicht sollten wir ein paar Leute von der Straße hereinholen, damit die leeren Stühle nicht so auffielen.
Morgan eilte zu uns, atemberaubend schön in ihrem eleganten weißen Satinkleid, ein ererbtes weißes Satincape mit Fuchsbesatz um die Schultern. Vermutlich hatte irgendjemand Janice eingeredet, es sei ein künstlicher Pelz, sonst hätte sie sich bemüßigt gefühlt, ihre Tochter mit roter Farbe zu bespritzen.
»Sosehr ich das alles auch missbillige …«, flüsterte Janice. »Sieht Morgan nicht hinreißend aus?«
Ich lächelte ihr zu.
Und dann erstarb mein Lächeln, weil Betty ankam.
Der Teenager trug ein unmögliches, schlecht sitzendes weißes Kleid. Zweifellos Merrilys Werk, denn sie hatte angekündigt, sie würde das Debütantinnenkleid für ihre Tochter nähen. Um diesen Look noch zu toppen, war Bettys Haar zu zwei strammen Zöpfen geflochten und auf dem Oberkopf festgesteckt worden. Heiße Wut stieg in mir auf. Wie konnte Merrily dem armen Kind so etwas zumuten?
Nicht nur ich schnappte nach Luft. Und dann stockte mein Atem erneut, als India zu uns stöckelte. Im Gegensatz zu Betty war sie modisch gekleidet - in silberner Faille, Spitze und Satin. Das trägerlose Oberteil saß hauteng und war mit Kristallperlen und handgenähten weißen Seidenrosen verziert. Der Rock aus voluminösem wei ßem Satin erinnerte an ein Ballkleid im Scarlett-O’Hara-Stil aus der Zeit vor dem Sezessionskrieg. Auch an dem Band, das Indias Haarknoten zusammenhielt, funkelten Kristallperlen.
»O Gott, Betty, wen willst du denn darstellen?«, fragte sie.
»Die kleine Miss Schweiz?«
Gewiss, India benahm sich wieder einmal grässlich. Aber sie hatte recht.
»India!«, riefen Janice und ich erleichtert. »Da sind Sie ja!«
»Was sollte ich denn tun?« Erbost schnitt sie eine Grimasse.
»Ein paar Tausend Dollar wegwerfen und die Chance verpassen, dieses Kleid zu tragen?«
Ich trat näher zu ihr. »Ist alles in Ordnung?«
»Natürlich. Ich bin sogar froh, dass meine Mom nicht herkommt. Was habe ich mir bloß eingebildet! Reine Energieverschwendung -
Weitere Kostenlose Bücher