Nicht schon wieder Champagner! - The Ex-Debutante
zusammen mit dem Postboten verschwunden.
»Hör mal, India, ich bin eine erwachsene Frau, und ein Kind sollte mir kein Kleid kaufen.«
»Ich bin nicht irgendein Kind - ich bin deine Tochter !«
Verwundert hob Renata die Brauen, als wäre ihr diese Tatsache entfallen. Das bemerkte India ebenso wie ich, und ihre Kinnmuskeln verkniffen sich.
»Ja, meine Tochter«, bestätigte Renata. »Auch eine
Mutter sollte ihrer Tochter nicht erlauben, dass sie ihr ein Kleid kauft.«
»Vergiss es!«, fauchte India. »Obwohl mir schleierhaft ist, wieso du dich darum kümmerst, was eine Mutter tun oder nicht tun müsste … Jedenfalls habe ich gehört, normalerweise würden Mütter ihren Töchtern nicht weglaufen.«
Sie ging davon und ließ eine bestürzte Renata auf dem perfekt gepflegten Rasen stehen.
Einige Sekunden lang stotterte ich dummes Zeug, bis meine Zunge wieder funktionierte. »India fühlt sich verletzt, und sie begreift nicht, warum Sie verlegen sind und ihrem Vater nicht begegnen wollen - oder aus welchen anderen Gründen Sie sich weigern, den Ball zu besuchen. Aber sie ist achtzehn und sucht ihren Weg in die Welt der Erwachsenen. Dabei braucht sie ihre Mutter. So wie jedes Mädchen.«
Als ich mich abwenden wollte, hielt Renata mich zurück. »Bitte, versuchen Sie mich zu verstehen, Miss Cushing, ich kann es einfach nicht …«
»Können Sie nicht? Oder wollen Sie nicht?«
»Offen gestanden, zu diesem Gesellschaftskreis gehöre ich nicht mehr …«
» Mir müssen Sie nichts erklären«, unterbrach ich sie. Dann eilte ich aus dem Garten. India saß bereits im Auto, und ihre Mutter hielt uns nicht zurück.
Schweigend fuhren wir zurück. Mit gesenktem Kopf lehnte India an der Beifahrertür. Wie ich ihr helfen sollte, wusste ich nicht. Es fiel mir schon schwer genug, meine eigene Mutter zu verstehen.
Als wir vor dem Haus der Blairs hielten, stieg India wortlos aus. Ich wollte etwas sagen - irgendetwas, das sie beruhigen und von ihrem Entschluss abbringen würde, das Debüt zu boykottieren.
Mochte es falsch oder richtig sein - mein Gewissen entschied, dass ich mich nicht einmischen durfte. Und so ließ ich India gehen, ohne den Ball zu erwähnen.
Am Morgen der Veranstaltung wölbte sich ein strahlend blauer Himmel über der Stadt. Sicher mussten wir tagsüber mit drückender Hitze rechnen, aber abends würde die Luft abkühlen. Wie Eissplitter würden die Sterne am samtschwarzen Himmel funkeln. Eine traumhafte Nacht stand uns bevor. Das heißt, wenn man acht - nein, neuerdings sieben Debütantinnen außer Acht ließ, die sich bei der Premiere der Gesellschaftssaison von Willow Creek nicht wie Debütantinnen benehmen würden.
Von wachsender Nervosität gepeinigt, zog ich Khaki-Shorts und ein Hemd mit aufgeknöpftem Kragen an und krempelte die Ärmel hoch. Dazu trug ich Segeltuchsandalen mit rutschfesten Gummisohlen. Als ich die Küche betrat, waren Lupe, Janice und meine Mutter bereits versammelt. Bei meinem Anblick hoben sie alle die Brauen.
»Soviel ich weiß«, begann Ridgely, »gibt es in Willow Creek keinen Yachtclub.«
»Sehr komisch«, meinte ich.
»Warum diese Leichenbittermiene?«, fragte Janice.
»Nun ja …« Ich zögerte. »Hoffentlich wird auf dem Ball alles klappen.«
»Oh, ganz bestimmt!«, erwiderte meine Schwägerin im
Brustton der Überzeugung. Was sollte sie auch sonst sagen, wo doch ihre Tochter zu den Debütantinnen zählte? Sie reichte mir eine Tasse Kaffee.
»Danke.«
»Sicher wird’s fantastisch.«
»Und das aus dem Mund einer Ungläubigen?«
»Ich halte immer noch nichts von diesen Dingen. Aber ich habe resigniert und beschlossen, das Beste daraus zu machen.«
»Wie geht’s Morgan?«
»Großartig. Ihr Kleid ist perfekt. Heute Nachmittag haben wir einen Termin beim Frisör. Ich wünschte nur, sie würde nicht so viel Zeit mit ihrer Eskorte verbringen.«
»Jedes Mal, wenn ich die beiden zusammen sehe, lernen sie miteinander«, wandte ich ein. »Das finde ich nicht so schlimm.«
»Ja …« Janice lachte leicht gequält. »Seit meine Tochter einen Freund hat, bekommt sie bessere Schulnoten. Nicht umgekehrt.«
Wie um diese Einschätzung zu bekräftigen, schlenderte Morgan herein, in einem schlichten T-Shirt und Jeans, das lange braune Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie sah kultiviert und süß aus, nichts erinnerte an den Cyndi-Lauper-Look, den sie früher bevorzugt hatte. »Ich muss mich beeilen«, sagte sie und nahm sich eine Scheibe Toast. »Bevor wir
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