Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
Ich grinste unwillkürlich zurück, noch während ich seine Zähne studierte. Seine Eckzähne waren zwar lang, aber so schnell, wie er den Mund wieder schloss, vermochte ich nicht zu beurteilen, ob sie auch überdurchschnittlich spitz waren.
Ich sagte es nur ungern. »Ich kann Ihnen nichts versprechen. Was wollen Sie machen, wenn wir die Alraune nicht bekommen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Dann muss ich mich wohl oder übel mit den Ersatzmöglichkeiten beschäftigen.« Seinem Tonfall nach glaubte er jedoch nicht daran, dass es einen solchen Ersatz gab. Weil ich unbedingt noch einmal sein hinreißendes Lächeln sehen wollte, sagte ich:
»Nun, falls es aus irgendeinem Grund nicht klappt mit der Alraune, könnte ich versuchen, Ihnen eine Mörderhand zu besorgen. Die sind immer gut für Reanimationszauber.« Ich persönlich fand die Sache mit den Mörderhänden furchtbar gruselig. Es handelte sich dabei um abgetrennte, in Wachs getauchte Hände – echte Hände von echten Menschen, für gewöhnlich von verurteilten Mördern –, deren Finger während eines magischen Rituals wie Kerzen angezündet wurden. »Oh, oder vielleicht nehmen Sie etwas Friedhofserde! Ich glaube, ich habe noch ein Glas davon unter der Theke.«
»Nein, danke. Die habe ich schon, obwohl ich persönlich Leichenschimmel bevorzuge«, sagte Sebastian.
Ich brauchte einen Moment, bis mir klar wurde, dass er einen Witz gemacht hatte. Erst als ich sein breites Grinsen sah, dämmerte es mir.
»Oh ja«, entgegnete ich lahm. »Nicht schlecht, wenn man so was bei der Hand hat.« Kaum ausgesprochen, musste ich wieder an die Mörderhand denken. »Oh, igitt, falsche Wortwahl!«
Sebastian lachte. Er hatte ein herzliches, ungekünsteltes Lachen, das sehr ansteckend war. Eine sonderbare Eigenschaft für einen Toten, aber ich musste trotzdem lachen. Ich meine, wenn der Kerl ein Vampir wäre, hätte ich sagen können, dass er mich einfach mit seiner übernatürlichen Anziehungskraft verzauberte. Meiner Erfahrung nach hatte das Lachen eines Vampirs nämlich nichts Schönes. Es erinnerte eher an das unheilvolle Kichern eines Auftragskillers.
Aber Sebastian hatte wirklich ein nettes, sympathisches Lachen, bei dem ich mich automatisch fragte, warum er mich noch nicht zu einem Kaffee eingeladen hatte. Zu schade, dass er tot war! Das verdarb mir die ganze Romantik.
»Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass ich die Alraune für einen Reanimationszauber brauche?«, fragte er.
Ich war versucht, auf das Offensichtliche hinzuweisen, aber stattdessen antwortete ich: »Man sagt doch auch ›Henkerswurzel‹ dazu, nicht wahr?«
»In der Tat«, entgegnete Sebastian etwas überrascht, als hätte er mir nicht einmal solche banalen Grundkenntnisse zugetraut. »Aber sie hat zum Beispiel auch abführende Wirkung.«
Ich lächelte. »Wollen Sie damit sagen, dass Sie so dringend eine unter einem Galgen gewachsene Alraune brauchen, weil Sie Verstopfung haben?«
»Nein«, entgegnete er mit seinem ansteckenden Lachen. »Wirklich nicht.«
»Sie ist aber auch eine halluzinogene Droge«, bemerkte ich. »Vielleicht sind Sie eine Art Alraunen-Junkie.«
»Ja, vielleicht«, sagte er mit einem geheimnisvollen »Würden Sie das nicht gern herausfinden?«-Lächeln.
Allerdings. Es gab auch noch ein paar andere Dinge, die ich gern wissen wollte. Unter anderem, wie es sich wohl anfühlte, seine herrlichen Haare durch meine Finger gleiten zu lassen.
Vampire hatten meistens lange Haare. Schließlich wuchsen sie nicht mehr nach, wenn sie einmal abgeschnitten waren. Weil die Haarfollikel abgestorben waren und so weiter, war ein modischer Look eher die Ausnahme. Manchmal konnte man das Alter eines Vampirs an seiner Frisur erkennen. Mir taten diejenigen leid, die im achtzehnten Jahrhundert gestorben waren oder wann immer die Männer kahl rasierte Köpfe gehabt hatten, weil sie die meiste Zeit Perücken getragen hatten. Der kahle, toughe Look war zwar gerade wieder in, aber wer früher Rüschenhemden getragen hatte, bekam ihn häufig nicht so richtig hin.
Sebastian sah nicht so aus, als wäre er ein solcher gepuderter Geck gewesen. Oh nein, nicht mit diesem Körper!
Ich überlegte, wann er wohl gestorben war. Ich hätte ihn sehr gern danach gefragt, aber es kam mir sehr unhöflich vor, besonders da er eindeutig nicht darüber sprechen wollte. Ich hatte ihm immerhin mehrmals die Möglichkeit gegeben, sich als Vampir zu outen. Ich seufzte. Leider schien er nicht so interessiert an mir zu sein
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