Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
einfach seine Brieftasche, aus der die Scheine förmlich herausquollen. Ich war erleichtert, Bares zu sehen. Die Kreditkarte eines Toten wollte ich nun wirklich nicht annehmen. Bei meinem Glück war er am Ende noch ermordet worden, und dann zählte ich im Nu zu den Verdächtigen. Kein Cop der Welt würde mir glauben, wenn ich sagte: »Oh ja, er ist zwei Tage nach seinem Tod in den Laden gekommen und hat mir seine Kreditkarte gegeben. Ehrlich.«
»Wie schnell kann ich sie haben?«
Ich füllte das Bestellformular aus, drückte die Enter-Taste und wartete auf die Anzeige der Versandoptionen. »Die Lieferung erfolgt innerhalb von zwei bis drei Werktagen.«
»Leck mich!«, fluchte er. Das würde ich gern, dachte ich, während er aufgeregt erklärte: »Eigentlich brauche ich sie heute noch!«
»Wie wäre es mit Alraune-Pulver?«, fragte ich. Als er den Kopf schüttelte, zeigte ich auf das Regal mit den Kräuterbüchern. »Schauen Sie doch nach, ob es irgendeinen Ersatz dafür gibt.« Was bei Alraune jedoch nicht sehr wahrscheinlich war. Dieses Gewächs war etwas ganz Besonderes und, ehrlich gesagt, viel zu kompliziert in der Anwendung für die meisten Öko-Hexen.
Er gab ein trauriges kleines Lachen von sich, als hielte er mich für den größten Idioten auf der Erde.
»Soll ich die Bestellung also abschicken?«, fragte ich und zeigte auf den Monitor. »Das kostet hundertfünfzig Dollar.«
Er rieb sich nachdenklich das Kinn. Dafür, dass er tot war, wirkten seine Gesten eigentlich recht lebendig und normal. Entweder war er erst seit Kurzem tot und hatte es noch gar nicht richtig begriffen, oder er war schon so lange tot, dass er sich daran gewöhnt hatte.
Eigentlich hätte ich sofort auf Vampir getippt. Das Problem war nur, dass es draußen noch ziemlich hell war. Montags hatten wir nur bis achtzehn Uhr geöffnet. Ich warf einen vielsagenden Blick in Richtung Schaufenster, durch die das Tageslicht hereinfiel. »Sind Sie nicht ein bisschen früh dran?«
»Wie bitte?«
»Äh, ich brauche noch Ihren Namen und Ihre Adresse für die Bestellung. Und eine Nummer, unter der ich Sie erreichen kann, wenn die Lieferung eintrifft.« Seine verblüffte Reaktion auf meine Frage wirkte so echt, dass ich meine Taktik spontan änderte.
Vielleicht wusste er gar nicht, dass er tot war.
Er sah mich abermals irritiert an, dann zog er eine Visitenkarte aus der Innentasche seiner Lederjacke. Die Metallschnallen klirrten. Ich liebte dieses Geräusch! Als er die Karte auf die Glastheke legte, warf ich einen Blick auf seine Fingernägel. Sie waren kurz und gepflegt; weder abgebrochen noch blutig – aber unter ein paar Nägeln entdeckte ich etwas Dunkles, möglicherweise Erde. Was die Vermutung nahelegte, dass er erst kürzlich aus einem Grab geklettert war, doch bei den heutigen Beerdigungsvorschriften, die Betonplatten und Stahlgruften vorsahen, war so etwas kaum noch möglich.
Es sei denn, jemand hätte ihn in aller Eile in einem flachen Grab verbuddelt.
»Bestellen Sie«, sagte er schließlich. »Ich glaube, ich habe keine andere Wahl.«
Auf seiner Karte stand: Sebastian von Traum, Herbalist . Auf der Rückseite waren eine Post- und eine E-Mail-Adresse, die Website und mehrere Telefonnummern angegeben. Ich tippte alle Informationen ein. Eigentlich hätte ich die Alraune direkt an ihn schicken lassen können, aber ich tat etwas Ungezogenes: Weil ich ihn unbedingt wiedersehen wollte, gab ich als Lieferadresse die des Ladens an. Mit dem Anflug eines schlechten Gewissens sagte ich: »Ich rufe Sie an, sobald die Lieferung da ist.«
Als ich den Bestellbutton anklickte, stieß Sebastian einen leisen traurigen Seufzer aus, der mir fast das Herz brach. Noch dazu machte er ein Gesicht, als wären seine Tage auf Erden gezählt. Ich kam mir vor wie der Schuft, der sein Todesurteil unterschrieben hatte, weil ich ihm die Wurzel nicht sofort besorgen konnte.
»Hören Sie«, sagte ich. »Ich rufe morgen mal da an und mache ein bisschen Druck. Vielleicht kann ich dafür sorgen, dass Sie Ihre Wurzel früher bekommen.«
Aber was um alles in der Welt sollte ich sagen? Hey, könnten Sie die Sache beschleunigen, weil diese extrem hinreißende wandelnde Leiche die Alraune wirklich ganz dringend braucht, um nicht endgültig den Löffel abzugeben? Das klang schon ziemlich merkwürdig, auch wenn es möglicherweise stimmte.
»Das ist sehr nett, vielen Dank!« Sebastian schenkte mir ein strahlendes Lächeln, wie es in der Regel Filmstars vorbehalten war.
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