Nicht schon wieder ein Vampir! (German Edition)
wie ich an ihm.
Ich nahm seine Visitenkarte und legte sie neben die Kasse. Nachdem ich mich ein letztes Mal am Anblick seines maskulinen Körpers geweidet hatte, wollte ich gerade den Mund öffnen, um ihn schweren Herzens rauszuwerfen, damit ich abschließen konnte, doch er hatte offenbar meine Gedanken gelesen.
»Sie sehen hungrig aus«, sagte er. »Darf ich Sie nebenan zu Kaffee und Kuchen einladen?«
Endlich!
»Warum nicht?«
Wir verließen den Laden durch die Seitentür, die direkt in das benachbarte Café Holy Grounds führte. Ich winkte meiner besten Freundin Izzy zu, die hinter der Theke arbeitete, aber sie war gerade mit einem Kunden beschäftigt und sah mich nicht.
Sebastian wählte einen Tisch am Fenster. Die Sonne ging zwar allmählich unter, doch genau auf seinen Platz fiel ein heller Lichtstrahl. Ich biss mir auf die Lippen, um nicht vor Schreck nach Luft zu schnappen, als er sich hinsetzte, denn ich befürchtete nach wie vor, dass er ein Vampir war, obwohl sämtliche Beweise dagegensprachen.
Ich nahm ihm gegenüber Platz und überprüfte noch einmal seine Aura. Ja, immer noch tot.
»Blendet Sie die Sonne?«, fragte er, als er sah, wie ich die Augen zusammenkniff.
»Nein, nein, kein Problem«, entgegnete ich und hielt unauffällig nach Rauchwölkchen über seinem Kopf Ausschau. Aber da war nichts, nur ein paar Staubkörnchen, die durch die Luft tanzten. Ich sah mir sein Gesicht genauer an. Sein Teint hatte nicht diese wächserne graue Schlaffheit, wie man sie von Zombies kannte. Ganz im Gegenteil, er war sogar leicht gebräunt.
Merkwürdig.
Mit der kritischen Prüfung war es natürlich vorbei, als er seine Lederjacke auszog. Seine muskulösen Arme konnte man nur als äußerst wohlgeformt bezeichnen. Zu seinen Lebzeiten hatte er zweifellos regelmäßig trainiert oder hart gearbeitet, aber wie er es auch angestellt hatte, das Ergebnis war auf jeden Fall beeindruckend. »Was war Ihr Beruf?«, fragte ich. »Ich meine, mit Kräutern haben Sie ja wohl kaum Ihren Lebensunterhalt verdient.«
»Zurzeit bin ich Automechaniker. Ich arbeite unten in Jensens Werkstatt.«
Ich arbeite . Präsens. Der arme Mann wusste wirklich nicht, dass er tot war! »Wow.«
Er zuckte mit den Schultern. Die kleine, unbekümmerte Geste wirkte so normal und lässig, dass ich stutzig wurde. Die Bewegungen eines Toten müssten eigentlich steif sein … oder zumindest bedächtig. »Ist doch nichts Besonderes. Ich schraube gern an Oldtimern herum. Die neuen Autos mit der ganzen Computertechnik finde ich furchtbar.«
»Was? Wieso?«
»Autos sollten nur mit Feuer, Wasser und Luft betrieben werden. Das ist Alchemie. Magie. Computer widersprechen dem grundlegenden Wesen von Motoren, wenn Sie mich fragen.«
»Hm«, machte ich. Mehr fiel mir nicht ein, denn ich war total hin und weg von diesem Mann.
»Was darf ich Ihnen denn bringen?«, fragte er und stand auf.
Donnerwetter! Ein mystisch veranlagter Automechaniker und ein Gentleman noch dazu … Er hätte mich sofort haben können, hier auf diesem Tisch, auch wenn er mausetot war. »Ich hätte gern einen Latte mit Honig, der ist hier sehr lecker«, sagte ich. »Und vielleicht ein Croissant oder so etwas.«
»Kommt sofort.«
Weil das Café und der Zauberladen früher denselben Besitzer gehabt hatten, ähnelten sie sich vom Ambiente her. Das Holy Grounds war ganz im New-Age-Stil eingerichtet. An den unverputzten Backsteinmauern hingen opulente Ölgemälde von Göttern und Göttinnen. Auf jedem Tisch brannte ein Teelicht in einem Glashalter, der von fünf weiblichen Eisenfiguren umrahmt wurde, die sich an den Händen hielten. Mir gegenüber, gleich neben dem Eingang, hing ein großes Poster von dem astrologischen Diagramm, das ich anhand des Eröffnungsdatums für das Café erstellt hatte. Bunte Sterne aus Bastelpapier baumelten an dünnen Nylonfäden im Fenster, und um das Bücherregal im hinteren Teil, wo bequeme Sofas und Polstersessel standen, rankten sich Lichterketten mit mondförmigen Leuchten. Dort saß eine Gruppe von Mittelaltermarkt-Typen mit Bauernhemden und Wollumhängen, die leise auf Bodhráns und Doumbeks trommelten.
Ich beobachtete, wie Izzy sich sehr weit zu Sebastian vorbeugte, um seine Bestellung anzunehmen. Izzy, mit bürgerlichem Namen Isadora Penn, sah unbestreitbar sehr gut aus. Ihre Haut war um ein paar Nuancen dunkler als die Mokka-Lattes, die sie servierte, aber sie wirkte ebenso samtig. Sie trug ihre dichten Locken stets kurz geschnitten, und ihr
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