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Nicht so laut vor Jericho

Nicht so laut vor Jericho

Titel: Nicht so laut vor Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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anstellen, können Sie mit dem Hinweis, daß Sie nicht auf Gewinn arbeiten, eine Steuerbefreiung herausschinden. Der trotzdem erzielte Gewinn muß dann eben unter der Bezeichnung ›Gehalt‹ an die Mitglieder verteilt werden.«
    »Aber nicht an alle«, verwahrte sich Uri. »Nur an die vier Gründungsmitglieder, die hier anwesend sind.«
    Dieser Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Dann kam Jakov auf eine noch schwebende Frage zurück:
    »Was die Zulassung zur Mitgliedschaft betrifft, müssen wir vorsichtig sein. Ich bin für strenge Ballotage und hohe Mitgliedsbeiträge. Da sind wir sicher, daß wirklich nur Leute von Kultur und Niveau zu uns kommen.«
    Dr. Shay-Sonnenschein servierte Kaffee und leerte die Aschenbecher aus.
    Jakov war unverkennbar von mir abgerückt. Ich behielt den schäbigen Opportunisten scharf im Auge.
    Chaim und Uri flüsterten miteinander und zeigten abwechselnd auf Jakov und mich. Ich schwor mir zu, den Verkehr mit diesen beiden hinterhältigen Gesellen so bald wie möglich abzubrechen.
    »Wie, Herr Doktor, ist die Rechtslage«, fragte ich, »wenn sich herausstellt, daß einer von uns sich heimlich über die Vereinskasse hergemacht hat?«
    »Es müßte, je nach statutarischer Vorschrift, entweder ein Schiedsgericht zusammentreten oder eine außerordentliche Vollversammlung einberufen werden.«
    »Und wenn die betreffende Person sich als Spitzel in unsern Kreis eingeschlichen hat?« fragte Uri und warf mir einen haßerfüllten Blick zu. »Was macht man mit so einem Lumpen?«
    »Man übergibt ihn der Polizei und wählt einen Ersatzmann.«
    »Und wenn er Haschisch raucht und Amok läuft? Oder sich als gemeingefährlicher Irrer entpuppt?«
    »Sie haben ganz recht, diese Fragen zu stellen. Das alles muß in den Statuten berücksichtigt werden. Das Präsidium muß auch berechtigt sein, alte oder kranke Mitglieder in ihrem eigenen Interesse ohne weitere Begründung auszuschließen.«
    »Sehr richtig«, krächzte Jakov. »Wir brauchen keine Krüppel.«
    Chaim, der an Magengeschwüren leidet, erbleichte und griff nach einer schweren bronzenen Löschblattwiege:
    »Und was«, fragte er mit drohend gesenkter Stimme, »was geschieht, wenn einer von uns einen andern umbringt?«
    »Dann hätte vor allem ein innerhalb des erweiterten Präsidiums zu konstituierender Rechnungsausschuß über die Höhe der Entschädigung zu beraten, die an die Witwe zu zahlen wäre. Aber auf solche Details brauchen wir heute noch nicht einzugehen, glaube ich.«
    Dr. Shay-Sonnenschein schloß die Aktenmappe mit der Aufschrift »Kreis der Freunde der hebräischen Kultur« und erhob sich. »Ich schlage vor, daß wir in einer Woche wieder zusammenkommen, um über Investitionen, Dividenden und Einfuhrlizenzen zu beraten.«
    Uri interessierte sich hauptsächlich für den Import schwedischer Pornofilme, ich legte größeres Gewicht auf englische Jagdmesser. Beim Verlassen des Hauses achtete ich darauf, nicht an der Spitze der Gruppe zu gehen. Es ist kein gutes Gefühl, diese Mafiosi im Rücken zu haben, wenn es dunkel wird.
    »Also auf Wiedersehen nächste Woche«, murmelte Uri und war verschwunden.
    Auch wir anderen gingen ohne Abschied auseinander.
    Wir fühlten uns um zehn Jahre gealtert.
     

Ein wirklich guter Freund
     
     
    »Meine besten Freunde sind Juden«, pflegt der Antisemit zu sagen und will damit andeuten, daß er alle übrigen Juden nicht ausstehen kann. Bei uns, in Anbetracht unseres unverkennbar semitischen Charakters, liegen die Dinge ein wenig anders: Unsere Freunde sind unsere besten Feinde.
     
    Im allgemeinen gelte ich als verschlossen, fast schon als mürrisch. Aber das stimmt nicht. Was so mürrisch wirkt, ist in Wahrheit meine Seriosität. Ich plappere kein dummes Zeug, meine Ansichten sind wohlfundiert und gemäßigt, ich grinse nicht vor mich hin – ich bin, kurz gesagt, ein erwachsener Mensch, abhold allen Exzessen.
    Trotzdem: an jenem Tag hatte ich das Gefühl, als gehörte mir die Welt. Ich weiß nicht warum. Vielleicht hatte ich infolge eines Irrtums gut geschlafen, oder der Feuchtigkeitsgehalt der Luft hatte nachgelassen, oder mein Blutdruck war plötzlich in Ordnung – jedenfalls fühlte ich mich schon am Morgen ganz großartig. Die Sonne schien, die Bäume blühten, die Vögel zwitscherten nicht, es herrschte angenehme Ruhe, und ich war sowohl mit mir selbst wie mit dem Leben im allgemeinen zufrieden.
    Und dann kam der Anruf von Schlomo, meinem besten Freund.
    Ich hob den Hörer ab und sagte:

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