Nicht so laut vor Jericho
aus.
Uri sprang auf: »Worte, Worte, Worte«, brach es aus ihm hervor. »Wir müssen handeln. Wir sind jung, stark und schön. Wir glauben an eine bessere Zukunft. Retten wir die israelische Kultur!«
Über unsere weichen, flaumigen Wangen legte sich die zarte Röte der Unternehmungslust, unsere Augen blitzten, unsere schlanken Gestalten strafften sich:
»Wir müssen eine Art Cercle bilden«, schlug ich vor. »Wir müssen all die jungen, lebendigen, selbstlosen Kräfte sammeln, denen das geistige Ansehen unseres Landes noch etwas gilt.«
»So ist es!« rief Jakov begeistert. »Gründen wir einen Kreis der Freunde hebräischer Kultur. Er lebe hoch!«
Bis zum Morgendämmer saßen wir beisammen und besprachen unsern kühnen Plan. Wir beschlossen, ein Lokal zu mieten, das wir in uneigennütziger Weise behaglich einrichten würden, als eine intime Oase der Begegnung für alle, die jungen Herzens und schöpferischen Geistes sind. Dort wollten wir auch unsere literarischen Abende veranstalten, mit deren Reinertrag wir die jungen Talente zu fördern gedachten. Immer höher flogen unsere hochfliegenden Gedanken, und in dieser Höhe blieben sie auch.
Sofort am nächsten Tag machten wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Heim für unser Vorhaben und fanden tatsächlich einen gut geeigneten Kellerraum. Aber der Eigentümer, ein aus Griechenland eingewanderter Gemüsehändler, wollte ihn nicht an uns vermieten. »Erstens: wer sind Sie?« fragte er. »Zweitens: was sind Sie? Drittens: was für ein Kreis ist das? Und viertens: wo sind die schriftlichen Unterlagen?«
Wir brachen in ein lautes, aber keineswegs verletzendes Gelächter aus. Schriftliche Unterlagen! Wozu brauchen wir schriftliche Unterlagen? Unser gemeinsames Ziel und unsere glühende Liebe zur hebräischen Kultur sind doch wohl mehr wert als ein albernes Stück Papier! Aber der Grieche bestand darauf, nur mit einem eingetragenen Verein zu unterhandeln, sonst würde er ja niemals wissen, bei wem er die rückständige Miete einkassieren sollte.
Wir mußten uns wohl oder übel entschließen, einen Rechtsanwalt aufzusuchen, dem wir die Erledigung dieser läppischen Formalitäten übertragen könnten.
Der Rechtsanwalt, ein gewisser Dr. Shay-Sonnenschein, empfing uns in seiner Kanzlei, die einen ausgezeichneten Eindruck auf uns machte, obwohl sie im früheren Lichtschacht des Hauses untergebracht war und keine Fenster besaß.
»Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte Dr.
Shay-Sonnenschein. »Wer sind Sie eigentlich und womit kann ich dienen?«
»Wir sind junge Menschen, Herr Doktor, und haben noch Ideale«, belehrte ihn Jakov. »Wir brennen darauf, unsere ganze Kraft in den Dienst der geistigen Regeneration Israels zu stellen, damit künftige Generationen die Früchte unseres Tuns und Trachtens genießen können.«
»Ich verstehe«, nickte der Anwalt. »Sie haben die Absicht, eine nicht auf Profit abzielende Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu bilden.«
»Profit? Sagten Sie Profit?« fragte Chaim. »Wir denken nicht an Profit und werden auch keinen haben.«
»Das kann man im voraus nie wissen«, replizierte der Jurist. »Heute sind Sie noch jung und naiv, aber in zehn Jahren werden Sie über manche Dinge anders denken. Ich würde Ihnen empfehlen, eine sogenannte ›ottomanische Gesellschaft‹ zu gründen.«
Damit erklärten wir uns einverstanden, schon weil wir nicht wußten, was sich hinter dieser Bezeichnung verbarg. Als wir aufstanden, um uns zu verabschieden, hielt uns Dr. Shay-Sonnenschein zurück. Er wollte noch eine Reihe von Details geklärt wissen.
»Zum Beispiel muß in den Statuten genau festgelegt sein, unter welchen Umständen die Auflösung der Gesellschaft erfolgt«, sagte er.
Ein gelinder Zorn begann in uns hochzukeimen. Wovon sprach der Mann? Weshalb sollten wir an unsere Auflösung denken, da wir doch nichts andres im Sinn hatten als unsere Gründung? Und das gaben wir ihm auch deutlich zu verstehen.
»So einfach ist das alles nicht.« Der Vereinsexperte schüttelte den Kopf. »Heute vertragen Sie sich noch miteinander, aber wer weiß, wie das in zehn Jahren sein wird. Es ist jedenfalls besser, wenn man von Anfang an mit jeder Möglichkeit rechnet. Ich schlage vor, daß die Liquidation des Vereins nur durch einstimmigen Beschluß der Generalversammlung herbeigeführt werden kann.«
»Ganz wie Sie wünschen«, sagte ich sarkastisch.
»Gut. Und jetzt müssen wir uns noch darüber einigen, wie in einem solchen
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