Nicht so laut vor Jericho
Fall das Eigentum des Vereins aufgeteilt wird.«
»Was für ein Eigentum?« Uri machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Warten Sie ab. In zehn Jahren sieht alles anders aus. Üblicherweise erhalten die Mitglieder der Generalversammlung zu gleichen Teilen den Grundbesitz und das bewegliche Eigentum der aufzulösenden Körperschaft. Im Streitigkeitsfall wird die Entscheidung von einem Schiedsgericht getroffen.«
»Streitigkeitsfall? Schiedsgericht? Was soll das?«
»Das werden Sie dann schon sehen. Es tut mir leid, aber ich muß Sie auf alle diese Dinge hinweisen. Das ist meine Pflicht als Anwalt. Heute sind Sie noch jung, aber so jung werden Sie nicht bleiben. Übrigens müssen wir auch stipulieren, wen Sie eigentlich als Mitglied aufnehmen wollen.«
»Jeden Menschen mit echter Schöpferkraft und wahrer Liebe zur hebräischen Kultur.«
»Das ist keine legale Definition. In solchen Fällen würde also das Präsidium die Entscheidung treffen.«
»Welches Präsidium?«
»Nach ottomanischem Gesetz, das bekanntlich noch nicht in allen Belangen aufgehoben oder revidiert wurde, muß jede Vereinigung ein dreiköpfiges Präsidium haben.«
»Zu dumm«, scherzte Uri. »Wir sind vier.«
»Dann ist einer überflüssig«, konstatierte trocken der Rechtsgelehrte.
Wir lachten einander lustig zu. Es war aber auch zu komisch.
»Na schön«, ließ Chaim sich vernehmen, »dann sagen wir, daß Ephraim dem Präsidium nicht angehören wird.«
Abermals brachen wir in stürmisches Gelächter aus, obwohl wir eigentlich wütend waren, daß wir unsere kostbare Zeit auf derlei kindische Bagatellen verschwenden mußten. Besonders wütend war ich. Wie kam Chaim dazu, mich aus dem Präsidium auszuschließen? Warum gerade mich? Das werde ich ihm so bald nicht vergessen.
»Die Frage des Präsidenten wäre also geklärt.« Dr. Shay-Sonnenschein waltete seines Amtes. »Jetzt müssen wir noch festlegen, unter welchen Umständen der Ausschluß eines Mitglieds erfolgen soll.«
»Das ist doch…«, unterbrach Jakov.
»Natürlich ist das heute noch nicht aktuell. Aber in zehn Jahren könnte es doch sehr leicht geschehen, daß Sie mit irgendeinem Ihrer Mitglieder nicht mehr auskommen, daß der Mann sich eines kriminellen Vergehens schuldig gemacht hat oder daß Sie ihn aus persönlichen Gründen draußen haben wollen.«
Ich merkte deutlich, daß mich alle ansahen. Mich und nur mich.
Dr. Shay-Sonnenschein kehrte zum Gegenstand zurück: »Ich halte es für ratsam, den Ausschluß eines Mitglieds vom einstimmigen Beschluß des Präsidiums abhängig zu machen.«
»Kommt nicht in Frage!« rief ich mit lauter Stimme. »Ich habe kein Vertrauen zum Präsidium. Über einen Ausschluß kann nur die Generalversammlung entscheiden.«
»Es wäre viel zu kompliziert, wegen eines einzigen Mitglieds eine Generalversammlung einzuberufen«, protestierte Jakov. »Auf diese Weise könnten wir praktisch niemanden loswerden.«
Ich wollte mich nicht so leicht mundtot machen lassen und stellte eine hypothetische Frage:
»Nehmen wir an, daß beispielsweise Jakov ausgeschlossen werden soll. Müßten wir ihm dann etwas zahlen, Herr Doktor?«
»Auch darüber hätte das Präsidium zu entscheiden.«
»Unmöglich!« Jetzt war es Uri, der Widerstand leistete. »Ich, wenn man zum Beispiel mich hinausekeln wollte, würde mich mit den Präsidialidioten gar nicht herstellen. Die Höhe meiner Entschädigung müßte statutarisch verankert sein.«
»Das läßt sich regeln«, entschied Dr. Shay-Sonnenschein. »In den Statuten ist Platz für alles. Vielleicht sollten wir zur Erleichterung des Steuerbetrugs die Formulierung gebrauchen, daß ein ausscheidendes Mitglied statt einer Abfindung das Gehalt für sechs Monate ausbezahlt erhält.«
»Welches Gehalt?«
»Das von Ihnen festgesetzte. Bedenken Sie, daß es sich um einen nicht auf Profit berechneten Verein handelt. Das heißt, daß Sie alle Gewinne unter sich aufteilen müssen.«
»Diese paar Pfund sind doch wirklich nicht der Rede wert.«
»Heute sind es nur ein paar Pfund, in zehn Jahren können es Hunderte oder Tausende sein. Sie müssen sich immer die Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten eines solchen Unternehmens vor Augen halten. Sie können in Ihren Räumlichkeiten eine Snack-Bar einrichten. Sie können die größeren Säle für Hochzeiten, Bar-Mizwah-Feiern und Gedenkabende vermieten. Sie können musikalische Tees veranstalten. Neuerdings sind Tanzfeste am Sabbatausgang sehr beliebt. Wenn Sie es geschickt
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