Nicht tot genug 14
leider keine Einzelheiten nennen«, wiederholte er.
»Und ob Sie das können. Ich bin ihr Mann. Ich habe das Recht, es zu erfahren.«
Branson sah ihn gleichmütig an. »Sie werden es erfahren, sobald wir selber mehr wissen. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie zu uns in die Zentrale kämen, damit wir uns mit Ihnen über das Geschehene unterhalten können.«
Bishop hob die Hände. »Ich – ich bin mitten in einem Golfturnier …«
Diesmal trafen sich die Blicke der Polizisten, und beide zogen verwundert die Augenbrauen hoch. Der Mann setzte seltsame Prioritäten. Andererseits sagten Leute, die unter Schock standen, oft sonderbare Dinge. Man durfte nichts hineindeuten. Außerdem war Branson vor allem damit beschäftigt, sich daran zu erinnern, wann er die Paracetamol-Tabletten geschluckt hatte und ob es unbedenklich war, noch welche zu nehmen. Er griff in die Tasche, drückte zwei Tabletten aus der Folie und steckte sie in den Mund. Als er versuchte, sie mit Spucke hinunterzuschlucken, blieben sie ihm halb in der Kehle stecken.
»Sir, ich habe Ihren Freunden die Situation erklärt. Sie spielen ohne Sie weiter.« Er versuchte noch einmal zu schlucken.
Bishop schüttelte den Kopf. »Ich habe ihnen das Spiel kaputt gemacht. Sie werden disqualifiziert.«
»Das tut mir leid, Sir.« Am liebsten hätte er »Shit happens« hinzugefügt, verkniff es sich aber.
10
BLINDING LIGHT WAR mit der Vorproduktion eines Horrorfilms beschäftigt, der in Malibu und Los Angeles gedreht werden sollte. Dabei ging es um eine Gruppe reicher Kids, die bei einer Party in Malibu von feindlichen Mikroorganismen aus dem Weltraum aufgefressen werden. Sophie hatte das Skript damals wie folgt bewertet: »Eine Mischung aus Alien und O.C., California«.
Seit sie als Kind Das zauberhafie Land gesehen hatte, wollte sie auf irgendeine Weise mit Filmen zu tun haben. Jetzt arbeitete sie in ihrem Traumjob mit Leuten, die schon Dutzende von Filmen produziert hatten und deren neue Werke kommerziellen Erfolg, wenn nicht gar einen Oscar versprachen.
Sie servierte Adam eine Tasse Kaffee mit Milch und zwei Stück Zucker und Christian einen Jasmintee. Dann setzte sie sich mit ihrem eigenen Bauarbeitertee (Milch und zweimal Zucker) an den Schreibtisch und rief ihre E-Mails ab.
Sie waren alle wichtig, doch in diesem Augenblick gab es etwas, das höchste Priorität genoss. Sie holte ihr Handy heraus und wählte noch einmal seine Nummer.
Sofort sprang die Mailbox an.
»Ruf mich an. So schnell wie möglich. Mache mir Sorgen.«
Eine Stunde später versuchte sie es noch mal. Alles wie gehabt.
Inzwischen waren weitere E-Mails eingetroffen, und ihr Tee stand unberührt auf dem Schreibtisch. Auch das Drehbuch hatte sie nicht weitergelesen. Mit anderen Worten, sie hatte an diesem Morgen überhaupt nichts geschafft. Hatte weder die Tischreservierung im Caprice für Luke Martin, einen weiteren Chef, getätigt, noch Adam ausgerichtet, dass sein Meeting für den Nachmittag abgesagt worden war. Kurzum, es war ein Scheißtag.
Dann klingelte das Telefon, und alles wurde noch viel schlimmer.
11
DIE FRAU ROCH NOCH NICHT , also konnte sie noch nicht lange tot sein. Die Klimaanlage im Schlafzimmer der Bishops hatte die Augusthitze bislang fern gehalten.
Auch die Schmeißfliegen waren noch nicht da, würden aber nicht lange auf sich warten lassen. Sie rochen den Tod auf mehrere Kilometer. Genau wie Reporter, von denen bereits ein Vertreter vor dem Tor wartete und den Polizisten am Eingang befragte, der sich aber, nach der Körpersprache des Reporters zu urteilen, reichlich bedeckt hielt.
Roy Grace hatte einen sterilen weißen Papieranzug mit Kapuze, Gummihandschuhen und Überschuhen angezogen und betrachtete die Szene vom Fenster aus. Kevin Spinella, Anfang zwanzig, scharf geschnittenes Gesicht, grauer Anzug mit schlecht gebundener Krawatte, Notebook in der Hand, Kaugummi im Mund. Grace kannte ihn. Er arbeitete für das Lokalblatt Argus und schien einen sechsten Sinn für Tatorte zu besitzen. Die Geschwindigkeit, mit der er dort auftauchte, ließ darauf schließen, dass er von irgendjemandem interne Informationen erhielt. Doch das war im Augenblick Grace’s geringste Sorge.
Er ging durchs Zimmer, wobei er sich an die aufgeklebte Linie auf dem Teppich hielt, und sprach in sein Handy. Er organisierte die Soko-Zentrale und stellte sein Team zusammen. Zu diesem frühen Zeitpunkt war jede Minute kostbar, denn die erste Stunde am Tatort konnte für eine mögliche
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