Nicht tot genug 14
Verhaftung entscheidend sein.
Zwischen den einzelnen Anrufen gingen ihm immer wieder die gleichen Fragen durch den Kopf. Ist dieser Tod ein Unfall? Ein ausgefallenes Sexspiel, bei dem etwas schiefgelaufen ist?
Oder ein Mord?
Bei fast allen Morden konnte man davon ausgehen, dass die Täter sich in einem psychischen Ausnahmezustand befanden. Der Adrenalinspiegel geriet außer Kontrolle, das Denken verwirrte sich, und die Handlungen wurden von der Tatsache beeinträchtigt, dass sie schlicht und einfach nicht mit der chemischen Kettenreaktion in ihrem Gehirn gerechnet hatten. Ein massiver Adrenalinstoß ließ den Körper erzittern und in Schweiß ausbrechen. Diese Reaktion schwächte sich mit der Zeit natürlich wieder ab. Also war die Chance, den Täter zu fassen, genau dann am größten, wenn sich die körperliche Reaktion auf dem Höhepunkt befand.
Das Schlafzimmer nahm die gesamte Breite des Hauses ein. Eines Hauses, das er sich niemals würde leisten können, wie er sich neidlos eingestand. Und selbst wenn er einen Lotteriegewinn landete, würde er nicht dieses vulgäre Bauwerk im Pseudo-Tudorstil kaufen, das hinter einer weiß getünchten Mauer und einem elektrischen schmiedeeisernen Tor verborgen lag. Eher ein elegantes Herrenhaus in georgianischem Stil mit eigenem See und weitem hügeligem Gelände. Mit Stil und Klasse. Grace, der Gutsherr. Ja, das würde ihm gefallen.
Der wunderschön restaurierte weiße Jaguar Mk2 3.8, der unter einer Schutzhülle in der Garage stand, war schon eher nach seinem Geschmack.
Die beiden anderen Wagen in der kiesbestreuten Einfahrt, ein dunkelblaues BMW 3er Cabrio und ein schwarzer Smart, beeindruckten ihn weniger. Dahinter parkten der Einsatzwagen der Soko, ein Streifenwagen und weitere Fahrzeuge der Polizei.
Aus den Fenstern neben dem Bett blickte man in den gepflegten Garten mit Swimmingpool und Zierbrunnen, der von einer Kopie des Brüsseler Mannekin Pis gekrönt war und nachts vermutlich in leuchtenden Farben erstrahlte. Dahinter erstreckten sich die Dächer der Stadt bis zum Meer.
Grace rief als Nächstes Norman Potting an, einen alten Hasen, der zwar nicht gerade der beliebteste Kollege, aber ein echtes Arbeitstier war, auf den er sich verlassen konnte. Er wies ihn an, die Filme sämtlicher Überwachungskameras in einem Umkreis von dreieinhalb Kilometern um den Tatort und aller Ausfallstraßen zu beschaffen. Danach organisierte er eine Haus-zu-Haus-Befragung in der unmittelbaren Nachbarschaft.
Schließlich wandte er sich wieder dem unerfreulichen Anblick auf dem Himmelbett zu. Die ausgestreckten Arme der nackten Frau waren mit Krawatten an einen der Bettpfosten gefesselt. Ihre Achselhöhlen waren frisch rasiert. Sie trug eine dünne Goldkette mit einem winzigen orangefarbenen Marienkäfer, einen goldenen Ehering und einen Verlobungsring mit einem eindrucksvollen Diamanten. Ihr attraktives Gesicht wurde von langem rotem Haar eingerahmt. Die schwarzen Ränder um die Augen stammten vermutlich von der Gasmaske, die neben ihr lag.
Was verrät die Leiche?
Das war sein Mantra am Tatort.
Der rosa Lack auf ihren Zehennägeln war abgeblättert. Ihre Kleidung lag auf dem Boden verstreut, als hätte sie sich in aller Eile ausgezogen. Mitten drin ein alter Teddy. Bis auf die weißen Stellen, die das Bikinihöschen verdeckt hatte, war sie nahtlos gebräunt. Knapp über der Kette zog sich eine dunkelrote Linie um ihren Hals, die vermutlich auf die Todesursache hinwies, obgleich Grace gelernt hatte, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen.
Während er die tote Frau betrachtete, verdrängte er die Gedanken an Sandy.
Ist dir das Gleiche passiert, mein Liebling.?
Wenigstens hatte man die hysterische Putzfrau aus dem Haus geschafft. Der Himmel mochte wissen, wie viele Spuren sie bereits verwischt hatte, als sie die Gasmaske heruntergerissen hatte und wie ein aufgescheuchtes Huhn herumgelaufen war.
Aber sie hatte ihm einige wichtige Informationen geliefert. Brian Bishop, der Ehemann der Toten, verbrachte die meiste Zeit in London und spielte an diesem Morgen ein Turnier in seinem Golfclub.
Vor einer Weile war die Spurensicherung eingetroffen. Ein Beamter suchte Bettzeug und Teppich nach Fasern ab, ein anderer stäubte Wände und alle Oberflächen mit Fingerabdruckpulver ein, und Joe Tindall, der Leiter der Abteilung, überprüfte sämtliche Räume.
Tindall erschien in der Zimmertür. Vor Kurzem hatte er seine Frau für eine Jüngere verlassen und sich ein völlig neues Outfit
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