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Nichts als Erlösung

Nichts als Erlösung

Titel: Nichts als Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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paar Feuerwehrleute irgendwo in der Asche ein paar Knochen finden? Er springt auf, lehnt sich auf die steinerne Balustrade, starrt auf die Sonnenliegen am Strand, auf denen sich Feuerflüchtlinge zur Nachtruhe betten.
    Die Krieger im Bikini. Die Krieger im Silberrahmen auf Schneiders Altar. Die Krieger mit Schneider und der hochschwangeren Lea Wenzel irgendwo in den Bergen. Unerreichbar, unauffindbar. Nicht zu orten. Verletzt. Tot. Er will das nicht denken, denkt es aber trotzdem. Vielleicht, weil er spürt, dass sich bereits etwas entschieden hat, dass Schneider mit seinem Plan jetzt wirklich am Ende ist. Vielleicht auch einfach nur, weil das Warten ihn fertigmacht.
    »Meist sind die Brandstifter Grundstücksspekulanten. Manchmal auch Ziegenhirten.« Maria stellt sich neben ihn.
    »Ziegenhirten?« Er starrt sie an.
    »Ein jahrhundertealter Olivenhain ist kein gutes Weideland. Eine Brache ist besser.« Sie zuckt die Achseln, resigniert. »Manche Menschen sind so, zerstören ihr eigenes Leben. Zerstören die Welt.«
    »Und dann?«
    »Dann muss man weiterleben.«
    »Und die Brandstifter?«
    »Meistens endet es damit, dass sie für verrückt erklärt werden. Unzurechnungsfähig. Psychisch krank. Es gibt keine Strafe für sie. Wie sollte man sie auch bestrafen? Sie können ja doch nicht mehr gutmachen, was sie zerstört haben.«
    Er muss weg hier, sofort. Er muss etwas tun. Und er muss allein sein, sonst dreht er durch. Stille umgibt ihn, sobald die Tavernen Limnionas’ hinter ihm liegen. Stille und Dunkelheit, aus der sich allmählich die Konturen von Felsen und Olivenbäumen herausschälen. Er läuft auf einer Schotterpiste, leicht bergan. Schon bald kann er die Lichter von Limnionas nicht mehr sehen, wenn er über seine Schulter blickt, und nach etwa einer Viertelstunde liegt auch das Brandgebiet außerhalb seines Sichtfelds.
    Er denkt an Sonja, das Kind und die Wohnung und an diesen Moment der Stille in der Leitung, nachdem er Sonja gesagt hat, dass er das will. Er denkt an Jonas und Miriam auf dem Foto in Leas Haus. An den toten Jonas auf dem Obduktionstisch. An einen Jungen auf einer Pritsche. An die Krieger im Bikini und an die toten Kinder des Kinderheims Frohsinn. Es gibt einen Zusammenhang zwischen all dem, möglicherweise ist das aber auch nur ein Wunsch, das Verlangen nach einer Logik, die dem zugrunde liegt, einer Erklärung, die in Wirklichkeit doch nichts erklärt.
    Es ist wirklich sehr still hier, er hört nichts außer seinen eigenen Schritten, und Maria hatte recht, es weht kein Lüftchen mehr. Manni bleibt stehen und lehnt sich an einen Felsen. Der weiße Schleier im Himmel direkt über ihm muss wohl die Milchstraße sein. Das schwarze Nichts geradeaus ist die Ägäis. Und von rechts kommt ein Pferd, hellweiß leuchtend. Es sieht aus wie eine Erscheinung, eine Sequenz aus einer Fantasysaga. Doch im Sattel sitzt unverkennbar Judith Krieger, blutverschmiert.

Jetzt ist es vorbei. Jetzt hast Du mich erlöst. Ich habe mir das gewünscht. Ich habe dafür gelebt. Ich töte den letzten Nachkömmling meiner Peiniger, Du tötest mich. Das war mein Plan. Vielleicht hattest Du sogar die Größe, mich zu umarmen, während ich starb.
    Darf ich noch eine letzte Bitte äußern? In meiner Wohnung ist alles dokumentiert. Die ganze Geschichte der Kinderheime, das ganze Elend, deutsche Geschichte, deutsche Politik. Ich will nicht, dass das je vergessen wird. Ich will nicht, dass darüber nur hin und wieder mal eine reißerische Reportage geschrieben wird, und dann sind alle wahnsinnig betroffen und entsetzt, aber niemand entschuldigt sich, niemand entschädigt uns, niemand versteht, dass wir bis heute leiden .
    Ich weiß, Du hast schon so viel für mich getan. Aber bitte, tu noch dieses eine: Vernichte meine Bibliothek nicht, mache sie öffentlich. Das ist mein letzter Wunsch an Dich. Nachdem Du mich getötet hast. Nachdem ich auch den letzten Vollenweider getötet habe. Nachdem Du mich erlöst hast.

Dienstag, 11. August
    Sie reitet. Sie reitet tatsächlich. Sie reitet auf einem silbernen Pferd unter silbernen Sternen. Sie spürt die Bewegungen unter sich, fühlt seine Wärme, die Kraft, das seidige Fell. Sie reitet durch die Nacht, und sie hat keine Angst mehr zu fallen, und sie weiß, dass sie lebt.
    Judith öffnet die Augen. Sie lebt, es ist wahr. Genauso wahr wie ihr nächtlicher Ritt auf Leas Pferd, der ihre einzige Chance war, Hilfe zu holen. Sie hatte nicht mehr gesehen, wie Schneider den Lauf der Pistole

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