Nichts als Erlösung
Fläche rundum hat er seitdem fertig abgesucht und nichts weiter gefunden als den üblichen Schrott: Alumüll, rostige Nägel, Kronkorken, drei Bleikugeln aus dem Dreißigjährigen Krieg. Er entscheidet sich für ein neues Suchareal und bringt den Deus in Position. Mit jeder Minute gewöhnen sich seine Augen besser an die Dunkelheit. Selbst dort, wo kein Mondlicht den Boden erreicht, kann er nun die Konturen der Baumstämme erkennen, sogar das Unkraut, das ihm an manchen Stellen bis zur Hüfte reicht. Es ist kurz nach Mitternacht. Zwei Stunden gibt er sich, dann muss er zurück. Wegen der Jäger und wegen Sabine.
Vollkommen still ist es ringsum, auf einmal fällt ihm das auf. Fast hat es den Anschein, als halte der Wald den Atem an. Wieso denkt er jetzt schon wieder so einen Quatsch? Vielleicht liegt es an der Hitze. Bestimmt sogar, er fühlt sich allmählich, als würde er gekocht. Und schon ist es mit der Stille vorbei. Etwas raschelt hinter ihm, ganz leise, eine Maus vielleicht. Er dreht sich trotzdem herum, kann nichts entdecken, richtet seine Aufmerksamkeit erneut auf den Detektor. Kopfhörer oder nicht? Die Kopfhörer sind warm und machen ihn schwerhörig gegenüber der Außenwelt. Trägt er sie aber nicht, sind das Piepen und Knarzen, mit denen die Sonde auf Metallfunde reagiert, auch für andere zu hören.
Mit Kopfhörern also, sicher ist sicher. Er zerrt sie sich über die Ohren, registriert die künstliche Stille, die ihn augenblicklich umfängt, dann seinen Pulsschlag, wie ein dumpfes Rauschen. Er konzentriert sich aufs Display des Deus, überprüft die Frequenzen. Der Bronzeschild war nur der Anfang, anders kann das nicht sein. Es hat Kämpfe auf diesem Gelände gegeben. Römer, Nibelungen, Burgunder – alle waren sie hier und verluden ihre Schätze zum Weitertransport auf dem Rhein. Mein Käufer ist heiß, hat ihm darkcave gemailt, der Händler, an den er den Schild verkauft hat. Bring mir mehr. Eric Sievert führt den Metalldetektor in die erste Suchbewegung. Ein langsamer Schwung, so nah wie möglich über dem Boden. Ein unpräzises Knistern in den Kopfhörern ist die Antwort. Er tritt Unkraut zur Seite, führt die Sonde in den nächsten Schwung. Zwei Stunden noch, maximal drei. Er weiß, dass hier mehr zu holen ist, er kann das förmlich riechen.
***
Das Pferd reißt sie aus dem Schlaf, der Schimmel, den sie aus früheren Albträumen kennt. Über ein Jahr war er verschwunden, nun ist er wieder da. Judith liegt sehr still. Das Pferd ist ein Bote, vielleicht eine Warnung. Sie weiß, dass es ihr etwas mitteilen will. Ein weißes Pferd steht auf einem Hügel inmitten einer archaischen, unwirklich kargen Landschaft, steht regungslos und sieht sie unverwandt an. Es ist nur ein Traum, doch er lässt sie nicht los. Sie hängt in ihm fest, so wie nach Patricks Tod. Damals hatte sie dem Schimmel vertraut und war auf ihm geritten. Momente des Glücks, jede Nacht wieder, die unweigerlich damit endeten, dass das Pferd mit ihr durchging, sie zu Boden warf. Judith setzt sich auf. Karl rollt sich im Schlaf zu ihr rüber und greift nach ihr. Sie streichelt seinen Arm und schleicht aus dem Zimmer. Ihr Herz schlägt zu schnell, ihre Lunge sticht. Der Traum hält sie gefangen, trotzdem ist sie hellwach.
Es ist heiß in ihrer Dachwohnung, drückend, obwohl alle Fenster weit geöffnet sind. Judith geht in die Küche und trinkt ein Glas Wasser, versucht sich ausschließlich auf die Kühle der Fliesen unter ihren nackten Fußsohlen zu konzentrieren. Sie will nicht mehr fallen, will nicht einmal daran denken, wie sich das angefühlt hat. Sie schleicht zurück ins Schlafzimmer, streift Shorts und ein Trägertop über, läuft dann durchs Wohnzimmer auf ihre Dachterrasse. Die Stadt scheint sie zu begrüßen. Der von Straßenlaternen und Leuchtreklamen bräunliche Nachthimmel, das gedämpfte Summen von Autos und Menschen, die wie sie nicht zur Ruhe kommen. Sie könnte sich ein Kölsch aus dem Kühlschrank nehmen, es im Liegestuhl trinken und versuchen, die Sterne zu zählen. Doch das würde nichts nützen, würde ihre Unruhe nur noch weiter steigern, das weiß sie aus Erfahrung.
Sie läuft zurück in ihre Wohnung, zieht Sportschuhe an, steckt im letzten Moment noch das Handy ein. Sie muss raus, sich bewegen. Den Erinnerungen weglaufen, diesem Traum, der die Ahnung von Unheil in sich birgt, vielleicht auch einfach nur ihrer verdammten Sucht nach Nikotin.
Die Straßen sind wie ausgestorben, auch hier steht die Hitze, kein
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