Nichts als Knochen
Köpfe.
»Sind sie sich eigentlich sicher, dass es die Hohenzollernbrücke war, von welcher der Mann gestürzt ist?«, wollte Rebecca noch wissen. Nach Frederiks Frage beobachtete sie, wie der Vater mit den Händen die Bögen der Brücke und die Spitzen des Doms in die Luft zeichnete und winkte ab, als Frederik übersetzen wollte.
»Lass gut sein, das hab sogar ich verstanden. Frag sie doch noch, wohin genau der Mann verschwunden ist.«
Nach einem längeren Wortwechsel zwischen Pieter de Cuijper und Frederik fasste dieser das Ergebnis kurz zusammen.
»Er sagt, der Mann sei die Brücke nach links in Richtung Dom gelaufen. Aber hinter ein paar Bäumen am Ende der Brücke ist er verschwunden. Er hat ihn auch nicht mehr auftauchen sehen.«
»Okay, sag ihnen, sie können jetzt gehen, und wir müssen das Ganze noch zu Papier bringen.«
Als Frederik und Rebecca ihren Bericht zu Ende geschrieben hatten, kam Thomas herein, der bei der Obduktion gewesen war. Nachdem er sich mit einem Kaffee an ihren Schreibtisch gesetzt hatte, sah sie ihn auffordernd an.
»Und«, wollte sie wissen, »was hat Rudolf herausgefunden?«
»Tja«, begann Thomas zögernd, »da ist etwas merkwürdig an diesem Tod. Als Todesursache hat Rudolf klar Genickbruch infolge des Sturzes ausgemacht. Aber gleichzeitig hat der Tote auch einen Herzinfarkt gehabt.«
»Wie jetzt?« Rebecca sah ihn etwas verwirrt aus blauen Augen an.
»Nun ja, als er stürzte oder kurz vorher, hat er einen Herzinfarkt erlitten. Daran wäre er kurz darauf ohne ärztliche Betreuung sowieso gestorben.« Thomas zuckte mit den Schultern. »Sagt jedenfalls Rudolf.«
Rebecca stand auf und ging mit auf dem Rücken verschränkten Händen im Zimmer auf und ab. Als sie stehen blieb, sah sie stirnrunzelnd zu Thomas hinüber.
»Die entscheidende Frage ist wohl, was hier Ursache und was Wirkung ist.«
»Wie meinst du das?«, wollte Thomas wissen.
»Ganz einfach: Ist er gestürzt, weil er einen Herzinfarkt hatte, oder hat er einen Herzinfarkt bekommen, weil er gestürzt ist? In dem Fall, dass der Infarkt der Auslöser des Sturzes war, stellt sich die Frage, was der Auslöser des Infarktes war. Für den Fall, dass der Sturz den Infarkt ausgelöst hat, müssen wir uns fragen, wieso er gestürzt ist. In beiden Fällen fehlt uns also der Ausgangspunkt.«
»Und das könnte auch in beiden Fällen der gleiche sein«, gab Thomas zu bedenken. »Er könnte sich über irgendetwas so aufgeregt haben, dass hierdurch sowohl Sturz als auch Infarkt ausgelöst worden sind.«
»Richtig«, stimmte Rebecca zu, »das wäre nahe liegend, aber nicht die einzige Möglichkeit.«
»Na gut, dann lass uns mal alle Möglichkeiten durchspielen.« Thomas lehnte sich in seinem Stuhl zurück und streckte die langen Beine aus. Rebecca kam zurück an ihren Schreibtisch und setzte sich wieder ihm gegenüber hin.
»Da wären zunächst einmal die Möglichkeiten ohne Fremdeinwirkung«, begann sie. »Er könnte beabsichtigt haben, seinem Leben mit einem Sprung in den Rhein ein Ende zu machen. Der Sprung und die damit verbundene Aufregung waren zu viel für sein schwaches Herz, und er erlitt einen Infarkt.«
Thomas nickte zustimmend. »Möglich wär's.«
»Ja«, fuhr Rebecca fort, »möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich.«
»Wieso nicht?«
»Weil statistisch gesehen die Selbstmordrate in verzweifelten Lebenslagen – und davon gehen wir bei einem Obdachlosen mal aus – erheblich sinkt. Das ist auch der Grund, warum es in Kriegszeiten so wenig Suizide gibt. Die Leute haben einfach andere Sorgen.«
»Na gut. Bleibt als Nächstes die Möglichkeit, dass er ohne jegliche Fremdeinwirkung einen Infarkt hatte und dabei von der Brücke fiel.« Thomas schwieg eine Weile und sah Rebecca dann an.
»Aber wenn ich es mir recht überlege, halte ich das auch nicht für sehr wahrscheinlich. Er wäre wohl eher getaumelt, auf der Brücke zusammengebrochen und dort liegen geblieben. Dabei über das Geländer von der Brücke zu stürzen, setzt schon ein gewaltiges Bewegungselement voraus, das schon eher an eine Flucht erinnert.«
»Und damit wären wir bei dem zweiten Mann auf der Brücke«, versetzte Rebecca.
»Welcher zweite Mann?«, wollte Thomas mit gerunzelter Stirn wissen.
»Die beiden Niederländer von dem Kahn haben nach dem Sturz einen zweiten Mann auf der Brücke gesehen. Er hatte schwarze, kurze Haare und trug ein schwarzes Gewand oder Kleid. Kurz nach dem Sturz ist er in Richtung Dom gelaufen.«
»Du glaubst also,
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