Nichts als Knochen
rennen. Und er rannte schnell. Rebecca und Christina, die fast gleichzeitig gestartet waren, hatten Mühe, Sichtkontakt zu halten. Sie rannten an zwei kleinen Hotels vorbei und verfolgten ihn in die nächste Querstraße nach links. Dann sahen sie ihn hinter diversen bremsenden und hupenden Autos verschwinden, als er die Opladener Straße in einem atemberaubenden Zick-Zack-Lauf überquerte. Einige hart gesottene Gäste des Café Especial, die auf der mit Rattanmöbeln bestückten Terrasse unter den Wärmelampen ausharrten, verfolgten interessiert, wie die beiden Frauen ebenfalls über die mehrspurige Straße rannten. Bei der Verfolgungsjagd wäre Rebecca fast als Kühlerfigur eines BMW geendet, und Christina hinter ihr stieß diverse Flüche aus, während sie die verblühten Osterglocken auf dem Mittelstreifen niedertrampelte. Als sie den Rand des Ottoplatzes erreichten, sahen sie Jan Zander mit unvermindertem Tempo im Deutzer Bahnhof verschwinden. Keuchend erreichten sie die Eingangstüren und konnten seine Gestalt ausmachen, als er auf Gleis fünf abbog. Sie hechteten hinter ihm her die Treppe zu dem Gleis hinauf und konnten oben auf dem Bahnsteig gerade noch die Rücklichter eines Zuges erkennen, der mit der Lok schon über die Hohenzollernbrücke Richtung Dom rumpelte.
Rebecca stützte die Hände auf die zitternden Knie, ließ den Kopf nach unten hängen und holte keuchend Luft.
»Scheiße, ich sollte wieder regelmäßig joggen gehen.«
Christina hatte die Hände in die Seiten gestützt und starrte, heftig ein- und ausatmend, auf die Anzeigetafel, auf der sich gerade der Hinweis auf die Identität des davonfahrenden Zuges in Nichts auflöste.
»Ich glaube, das war die Regionalbahn Richtung Mönchengladbach«, stieß sie keuchend hervor.
Rebecca nickte und zog ihr Handy aus der Jackentasche.
»O.K. Ich verständige den Bundesgrenzschutz am Hauptbahnhof. Vielleicht können die den Zug ja noch abfangen und durchsuchen.«
Fünf Minuten, nachdem sie beim BGS Alarm geschlagen hatte, klingelte ihr Handy. Sie ging dran, hörte einige Augenblicke zu und sagte dann: »Alles klar, kann man nichts machen. Danke für die Info.«
Sie trennte die Verbindung und schlug mit der rechten Faust gegen den Schaukasten mit dem Fahrplan.
»Scheiße!«
»Er ist uns durch die Lappen gegangen, was?« Christina verzog frustriert den Mund, als Rebecca nickte.
»Ja. Als die Kollegen auf dem Bahnsteig ankamen, waren die meisten Leute schon ausgestiegen, und im Zug war niemand mehr, dessen Personalausweis auf den Namen Jan Zander ausgestellt war. Wer weiß, in welchem Zug er jetzt sitzt. Der ist wahrscheinlich längst über alle Berge.«
»Na, prima! Und was machen wir jetzt?«
»Zunächst werden wir zurück zum Präsidium fahren und eine internationale Fahndung einleiten. Falls er versucht, das Land zu verlassen, kommt er zumindest nicht aus dem Schengengebiet raus. Außerdem glaube ich nicht, dass er auf eine größere Flucht vorbereitet war, als er abgehauen ist. Ich glaube eher, er wird zurückkommen und versuchen, sich seine Papiere und Geld zu besorgen.«
»Also werden wir seine Wohnung überwachen müssen.«
»Richtig, aber er wird es bestimmt nicht mehr heute Abend wagen, seiner Wohnung zu nahe zu kommen. Morgen früh werde ich bei Karsten Verstärkung anfordern, und dann können wir einen Schichtplan für eine 24-Stunden-Observation aufstellen. Bis dahin werden wir sicherheitshalber einen Streifenwagen vor seiner Tür postieren.«
»Und wenn er doch heute Nacht zurückkommt und die Uniformierten vor seiner Tür sieht?«
»Das kann nicht schaden. Dann wird er glauben, wir hätten die Observation schon aufgegeben, wenn die morgen nicht mehr da sind.«
»Was ist mit seiner Wohnung? Sollten wir uns nicht einen Durchsuchungsbefehl besorgen und nachsehen, ob wir dort die Tatwaffe finden?«
»Ja, das sollten wir. Aber damit würde ich gerne warten, bis wir ihn geschnappt haben. Ich will ihn nicht dadurch vergraulen, dass er beobachtet, dass wir seine Wohnung durchwühlen, und solange wir die Wohnung lückenlos beobachten, kann er auch nichts da rausholen und verschwinden lassen. Die Tatwaffe läuft uns also nicht davon, wenn er sie in der Wohnung versteckt hat. Und jetzt lass uns los, wir haben noch einiges zu erledigen.«
»Eins schwör ich dir!« Christina schnaufte schimpfend hinter Rebecca her. »Wenn der Fall gelöst ist, geh ich zu Lommi und trink mir einen Schwips an, und damit basta!«
Als Rebecca am nächsten
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