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Nichts als Knochen

Nichts als Knochen

Titel: Nichts als Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felizitas Carmann
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wir nutzen, um zu sehen, wie weit Michael mit der Auswertung der Spuren vom Tatort ist.«
    Während Rudolf die Edelstahlliege mit Andrea Walterscheidts Leiche in den Obduktionsraum schob, pfiff er lautstark und voller Hingabe die ›Leichte Kavallerie‹. Dann marschierte er im Stechschritt und mit unverminderter Lautstärke pfeifend zurück, um die zweite Leiche zu holen. Thomas warf Rebecca einen irritierten Blick zu, doch diese zuckte nur mit den Schultern und flüsterte: »Muss wohl seine Art der Stressbewältigung sein.«
    Als alles an seinem Platz war, zog Rudolf sich Handschuhe an, warf Rebecca und Thomas noch eine kleine Tube zu, schaltete das Aufnahmegerät ein und wandte sich dann der weiblichen Leiche zu.
    »Punkt eins: Todeszeitpunkt«, begann er zu dozieren. »Nach Messung der Raumtemperatur am Leichenfundort und dem Zustand der Leichen bei Auffinden gehe ich davon aus, dass der Todeszeitpunkt bei beiden Leichen zwei bis drei Tage vor dem Zeitpunkt des Auffindens liegt. Vermuteter Todeszeitpunkt für beide Leichen also Sonntag, spätestens jedoch Montagmorgen.«
    Rebecca, die gerade einen stark riechenden Salbenstrang unter ihre Nasenlöcher tupfte, räusperte sich, worauf Rudolf das Mikro ausschaltete und sie erwartungsvoll ansah.
    »Der Bruder der Toten sagt, dass sie ihn am Sonntagnachmittag noch besucht hat.«
    »Umso besser!«, entgegnete Rudolf. »Dann können wir den Todeszeitpunkt auf den frühen Sonntagabend bis zum Montagmorgen einschränken, falls der Bruder nicht gelogen hat.«
    »Der Bruder ist Mönch!«, gab Rebecca mit einem Anflug von Empörung in der Stimme zu bedenken.
    »Na und?«, Rudolf zuckte gleichmütig die Achseln. »Zweitausend Jahre Kirchengeschichte sollten uns doch wohl gelehrt haben, dass dies nicht vor Lüge schützt. Noch nicht einmal vor Mord und Totschlag, wie ich meine!«
    Rudolf schaltete das Mikro wieder ein und fuhr fort.
    »Der Tod trat durch Ersticken ein. Das Opfer wurde mit einer um den Hals gelegten Schnur erwürgt. Die unterschiedlich starke Ausprägung der Würgemale lässt auf eine gedrehte Kordel schließen.«
    Er wies auf die blutunterlaufenen Spuren am Hals der Frau, und Rebecca und Thomas beugten sich vor, um besser sehen zu können.
    »Bei einer gedrehten Kordel ist der Druck, der ausgeübt wird, unterschiedlich stark und hinterlässt diese typischen Spuren. Wenn nur wenige Stränge zu einer Kordel gedreht werden, sind die Unterschiede zwischen … ich will es mal Berge und Täler nennen … also zwischen den Erhöhungen und Vertiefungen der Schnur ausgeprägter. Die Berge üben größeren Druck auf die Haut aus als die Täler, und das kann man an den Würgemalen sehen.«
    Rebecca nickte.
    »Und was könnte es gewesen sein?«
    »Alles Mögliche«, gab Rudolf zurück. »Von der Gardinenschnur bis zum Springseil ist vieles denkbar.«
    Er griff zu einer Lupe und einer Pinzette und inspizierte die Abdrücke aus der Nähe, bis er etwas gefunden hatte. Mit der Pinzette platzierte er eine winzige Faser zwischen zwei Objektträger und ging zum Mikroskop. Er kniff die Augen zusammen, justierte an den Rädern die Schärfe und meinte dann knapp: »Helle Baumwollfaser. Wie gesagt, kann alles Mögliche sein.«
    Er ging zurück zu der Leiche und nahm seine Untersuchung wieder auf.
    »Habt ihr schon das Ergebnis von Michael?«, fragte er mit einem Blick auf die Fingernägel der Toten.
    »Ja, wir waren eben bei ihm, bevor wir hergekommen sind, und er hat uns die wichtigsten Punkte schon mal mündlich mitgeteilt. Zu dem Seil, das wahrscheinlich als Mordwaffe benutzt wurde, konnte er auch nicht mehr sagen als du. Die Hautpartikel unter ihren Fingernägeln stammen von einem Mann, und zwar von demselben Mann, dessen Haare er auch auf ihrer Leiche gefunden hat. Die DNS-Analyse hat aber keine Übereinstimmung mit der Strafdatei gebracht.«
    Rudolf nickte ernst, während er die Hände der Toten betrachtete.
    »Sie muss ihn ganz schön gekratzt haben, wenn man sich die Schäden an ihren Fingernägeln ansieht.«
    »Wieso hat sie keine Fasern von Kleidung unter ihren Nägeln? Wenn ich von einem Angreifer gewürgt würde und hätte die Hände frei, würde ich versuchen, seinen Oberkörper oder seine Arme abzuwehren. Aber im Moment ist noch nicht gerade Hochsommer. Man müsste doch eigentlich erwarten, dass sie dabei auf ein Kleidungsstück und nicht nur auf die Haut des Täters gestoßen wäre.«
    Rudolf zuckte die Achseln.
    »Vielleicht war er ja nackt.«
    »Du meinst, er

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