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Nichts gegen Engländer

Nichts gegen Engländer

Titel: Nichts gegen Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Sotscheck
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sondern auch zum Spitznamen »Mars Bar Kid«
verhalf. Als das Marsriegelgör nach seinem Wechsel zu Tottenham Hotspur bei
seinem Ex-Verein Newcastle United antrat, bewarfen ihn die Fans jedes Mal mit
Hunderten von Marsriegeln, wenn er an den Ball kam. Besonders erboste
Newcastle-Anhänger hatten Steine statt der Schokoriegel ins Marspapier
gewickelt. Im Magen liegen beide ungefähr gleich schwer.
    Neben
Schokoladen-Fakes kann man dem Engländer auch andere kulinarische
Abscheulichkeiten andrehen. Verdauen muss er das Essen freilich selbst. Aber
bis dahin nimmt Marks & Spencer ihm die Arbeit ab. Die englische
Supermarktkette der gehobenen Preisklasse ist ein Paradies für faule Menschen.
In den Kühlregalen stapeln sich Fertiggerichte, ja sogar mehrgängige indische
Menüs in Stanniolbehältern. Nicht mal den Reis muss man im Wasser kochen - auch
er ist mikrowellentauglich. Man muss lediglich die Garzeiten auf der Packung
lesen können - und hoffen, dass der Hersteller keinen Fehler gemacht hat.
    Das
kann schon mal passieren. Carl, ein Londoner Freund, hatte eine Tüte Chili
erworben und wollte seine neue Mikrowelle ausprobieren: Das Fleisch mit
Chilipulver bestreuen und 55 Minuten auf höchster Stufe kochen, hieß es auf dem
ChiliBeutel. Da Carl ein Mikrowellenamateur war, wusste er nicht, dass man in
der Zeit einen Elefanten garen könnte, wenn er denn in das Gerät passte.
Schüssel, Fleisch und Chili waren danach eine feste Verbindung eingegangen.
Wäre das in den USA passiert, hätte man die Chili-Bande vermutlich wegen
Verbrannter-Schüssel-Trauma verklagen und für den Rest seines Lebens einen
französischen Koch einstellen können. Aber in England zerkochen sie die Zutaten
gewohnheitsmäßig.
    Bei
Marks & Spencer bieten sie auch Ananas in mundgerechten Stücken an, Käse in
passgenauer Form für den Toast, Sushi-Bausätze mit Zubehör, die man gleich im
Laden verspeisen könnte, wenn es nicht verboten wäre. Und es gibt vorgewaschene,
kleingehäckselte Salate, die dank Gasbehandlung bis zum Sanktnimmerleinstag
haltbar sind, zum Beispiel Cäsarsalat mit Croutons, Parmesan und Sauce. Man
benötigt lediglich eine Schere. Aufgrund der vorgefertigten Mahlzeiten hat der
Engländer im Lauf der Jahre die traditionelle Kunst des Fleischtranchierens
vergessen und muss sie mühsam neu erlernen. Die Kurse in einem Restaurant in
der Londoner Innenstadt sind über Monate hinaus ausgebucht.
    Inzwischen
hat das Fertigfutterkaufhaus eine neue Produktpalette aufgelegt: die
Gourmet-Serie, deren neueste Errungenschaft der Lochmuir-Lachs ist. Ein
wohlklingender Name, der aber im Gegensatz zu Parma-Schinken oder Stilton-Käse
nicht von der Europäischen Union geschützt ist. Lochmuir gibt es nämlich gar
nicht. Allerdings tragen ein paar berühmte Hunde den Namen: Lochmuir Lady, ein
Windhund; Lochmuir Larry, ein Cockerspaniel; Lochmuir Bonnie, ein Labrador. Der
Name klinge so hübsch schottisch, sagt Andrew Mallinson, der Fischexperte der
Kaufhauskette. Schließlich stamme der Lachs von fünf verschiedenen Lachsfarmen
in Schottland.
    Dominic
Morray, ein Marks-Direktor, sagte, man habe beim Lochmuir-Lachs die gleichen
Prinzipien wie beim ebenfalls nach einem fiktiven Ort benannten
Oakham-Hühnchen angewendet und eine führende Marke geschaffen. Das hörten die
Bewohner des echten Oakham, der Kreisstadt von Rutland mit einem
Normannenschloss aus dem 12. Jahrhundert und eigener Brauerei, gar nicht gerne. Das
Kaufhauskettenhühnchen, so monierten sie, stamme ja nicht mal aus Oakham,
sondern aus Norfolk. Schlimmer wäre es, wenn sie bei Marks & Spencer den
Lochmuir-Lachs mit einem Lochmuir-Hündchen verwechseln.
    Bei
solcher Ernährung ist es nicht verwunderlich, dass der Engländer aus allen
Nähten platzt. Großbritannien verzeichnet das schnellste Wachstum in Europa,
was die Körperfülle angeht. Dabei sind die Engländer ohnehin schon die dickste
Nation in der Europäischen Union und haben sogar die USA überholt. Fast 2.000
Menschen sind zu fett zu arbeiten, monierte die Times. Die faulen Pummel haben im
vergangenen Jahr 4,4 Millionen Pfund Beihilfe kassiert, empört sich das Blatt.
    Die Times hat sich die Statistiken beschafft. Demnach kassieren 2,7 Millionen Menschen
insgesamt 7,4 Milliarden Pfund Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Zahl hat sich
seit 1979 verdreifacht. Medizinisch schwer nachweisbare Krankheiten treten heutzutage
doppelt so häufig auf wie noch vor ein paar Jahren. Die Palette ist breit: 480 verschiedene
Diagnosen

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