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Nichts gegen Engländer

Nichts gegen Engländer

Titel: Nichts gegen Engländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Sotscheck
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Eine halbe Stunde Oskardrück: eine
Einübung, eine Prüfung, ein Mächtigkeitsspringen. In Dortmund dann abermals
Zwangsaufenthalt. Teilnahme an einem Automobilgewinnspiel: »Ein Cabrio für
TOM!« ICE nach Stuttgart, Speisewagen, ein Napf Linseneintopf von der Ruhri-Kellnerin:
»Jetzt gibt's lecker!« Angst essen Linsensuppe auf.
    Dienstag, 14. März: Unser Gastgeber Vincent Klink lädt uns auf die
Wielandshöhe ein. Kann man früh morgens um halb eins schon essen? Und wie. Wir
betten unsere Köpfe auf zwei Blätterteigkissen mit Pilz-Tomaten-Füllung, der
Sommelier steckt uns Trichter in den Mund und gießt alle paar Minuten einen
Schluck Champagner hinein. Die Küche entsendet einen weiteren Gruß,
Kartoffelpüree mit Speck und gerösteten Zwiebeln.
    Wir
erleben späte Butterfreuden, und das als Männer.
    Der
Sommelier wechselt die Trichter und gibt uns einen Chardonnay aus dem Burgund
zu schmecken. Ein Saiblingfilet auf Schnittlauchvinaigrette mit Linsen und
Rotkohl wird herbeigetragen, wir liegen zu Tisch und dem Patron und seiner
Mannschaft zu Füßen. Eine Radieschensuppe mit Jakobsmuscheltranchen wärmt
Magen und Herz, der Himmel rückt nah. Erneut Trichterwechsel, nun wird ein
Barbera D'Alba in die Schlünde geschüttet. Zu dieser Woge des Entzückens
gesellt sich ein Kalbsfilet auf Morchelsoße mit Eiszapfengemüse und
Tagliatelle, durch die Adern strömt bärenhaftes Wonnegefühl.
    Die
Patisserie schickt ihren ersten Parlamentär: Limonenschaum mit Ingwer-Honig-Soße.
Wir ergeben uns freiwillig. Die Kapitulation wird mit Mohnschupfnudeln,
Rotweinbirne (nicht unserer!) und Vanilleeis versüßt. Wir danken inständig und
rollen bergab. Ein Hemdknopf springt Sotscheck vom prallen Wanste; abends im
Theater muss er mit nacktem Gewaltoberkörper in der Garderobe sitzen, während
eine freundliche Schneiderin den Knopf mit einem Faden aus Natodraht annäht.
    Mittwoch, 15. März: Hauptbahnhof Stuttgart. Sotscheck frühstückt ein
mit Bockwurscht gefülltes Croissant. Die Folgen sind verheerend, der
BSE-Experte deklamiert: »Ich bin es, Wurst-Ralle! Der Mann, den sie Wurst
nannten! Der mit der Wurst tanzt! Finnegans Wurst!« Über den Rest wird der
Schinkenmantel des Schweigens gebreitet. Schließlich sind wir einander
verbunden durch ein Erpressungspatt. Naivlinge nennen das Freundschaft.
    Ankunft
in Speyer. Unsere Gastgeberinnen Ulla-Britt Egeland und Caren Drees vom
Spei'rer Buchladen haben eine Überraschung parat: eine Einladung bei
Oberbürgermeister Schineller. Welcher Partei er angehöre, wollen wir wissen.
Der CDU - kein Problem also. Konservative und Kommunisten mögen im Einzelfall
Verbrecher sein, Sozialdemokraten und Grüne aber sind immer ohne Charakter und
müssen unbedingt gemieden werden.
    Roswitha
und Werner Schineller empfangen ins in ihrem Haus. Zum Kaffee gibt es
Selbstgebackenes, eine Apfeltarte und einen versenkten Kirschkuchen, für den
labilere Männer töten würden. Wir schleppen uns ins Hotel »Goldener Engel«;
später, von Ruhe erfrischt, geht es zur Lesung in den Historischen Ratssaal.
Unsere Garderobe ist der Saal des Ältestenrats. So fühlen wir uns langsam auch
an. Anschließend bittet Walter Deutsch großzügig in seine »WeinWunerbar« und
lässt uns Pfälzer Rieslinge probieren, Sotscheck arbeitet sich zum Mirabellenbrand
vor, als plötzlich ein Foto von ihm herumgeht und für Furore sorgt.
    Das
Bild, auf dem Display eines Mobiltelefons zu sehen, zeigt Sotscheck in der
lokalen Bahnhofsbuchhandlung. Neben seinen Kopf hält er ein Buch von Dirk
Bach, »Vegetarisch schlemmen«, auf dem Bach seine diversen Kinne präsentiert,
Sotscheck, den Kopf gesenkt und das Kinn gegen den Hals gedrückt, posiert
überzeugend als Bachs Zwillingsbruder. Nur das Wort »vegetarisch« wirkt
angesichts der Fleischmassen auf dem Foto befremdlich.
    Nachdem
Sotscheck das digitale Erpressungsmaterial für immer unauffindbar verschwinden
lässt, bringt uns die Regionalbahn von Speyer nach Mainz. Da der Zug randvoll
quietschender Schüler ist, suchen und finden wir Ruhe in der ersten Klasse.
Kein Schaffner kommt, die Bahn lädt uns ein. So ist es oft: Das freundliche
Personal macht am Kunden gut, was Schurkenmehdorn zuvor an ihm verbrach.
    Donnerstag, 16. März: In Mainz streiken die eigenen technischen Geräte,
kolumniert werden muss also im Internetcafe. Hier gelten andere Gesetze als im
Zivilleben. Am Computer rechts nebenan lässt ein Ehepaar einen Säugling im
Tragekorb brüllen und streitet nicht

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