Nichts
Asche!
„Was suchst du?“, will Robert wissen.
„Weiß nicht.“, antworte ich, erhebe mich und laufe ein paar Schritte auf das vermeintliche Grabmal zu.
„Seht ihr dasselbe wie ich?“
„Die war schon da, als ich das erste Mal hier stationiert war.“, meint Billy und beruhigt mich damit.
„Gut fünf Jahre her. Allerdings war das ganze Gelände damals völlig abgeschirmt. Bannmeile. Wir durften uns dem Ding nicht nähern. Es ging hartnäckig das Gerücht um, dass DOE und Combat Command gemeinsam eine epochale Waffe entwickeln würden. Nachts konnte man hören, wie das Ding sang.“
„Sang?!“, zweifelt Robert. „Die Pyramide?“
„Ein farbloses brummen. Wie ein Lautsprecher, der…“.
Da bleibt ihm das Wort im Hals stecken und er wirft den Kopf herum.
„Verdammt, Reynolds!“, brüllt er und rennt sofort in Richtung Hubschrauber.
Erst langsam erfasse ich die Lage.
Als Pilot konnte Billy die Zeichen natürlich besser deuten als wir anderen. Trotzdem ist es ist zu spät, auch für ihn. Die Rotoren des Bravo wirbeln die Asche längst auf und schleudern sie wie eine undurchdringliche Wand in unsere Richtung. Im selben Moment hebt die Maschine ab, löst sich mit hämmerndem Gebrüll vom Boden.
„Reynolds, du verdammtes Arschloch!“, schreit Billy aus voller Kehle. „Was soll das!“
Er kommt ins straucheln, hat Mühe sich auf den Beinen zu halten, als das Donnern noch lauter wird. Obwohl Reynolds die Maschine bewegungslos in der Luft hält, vielleicht gerade mal fünf Meter über’m Boden, scheint sich der Turbinenlärm nach und nach zu verschärfen.
Irgendwie eskaliert das dumpfe pochen der Rotoren und ist kurz davor, mein Trommelfell zu zerreißen. Ich presse die Hände auf meine Ohren und suche im selben Moment Blickkontakt zu Robert, der kurioserweise noch immer wie gebannt auf die Pyramide starrt.
Dann wird mir der Grund seiner Reglosigkeit klar.
Hinter dem schwarzen Tempel tauchen sie auf, die Gottesanbeterinnen von gestern früh. Apache Longbow! Sie also sind es, die den höllischen Lärm hämmernd vollenden. Eiskalt läuft es mir über den Rücken.
EINAI hat mich nicht vergessen!
Reynolds hatte recht, früher oder später mussten sie auftauchen.
Die Luft wird dick, man kann sie nun förmlich greifen. Atmen so gut wie unmöglich. Schier unendlich erscheinen die nächsten Sekunden. Die wildesten Pläne rasen mir, einer absurder als der Nächste, durch den Schädel um dann sofort verworfen zu werden. Keine Chance. Wir haben dieser Übermacht nichts mehr entgegenzusetzen.
Allmählich wird es ruhiger. Mit dem Staub senkt sich allerdings auch meine Hoffnung, fällt erschöpft zu Boden und gibt den Blick auf die Realität frei. Verschwommen tritt eine mächtige Gestalt aus der staubenden Asche. Humpelnd aber aufrecht, stolz und kraftvoll schreitet sie näher.
White!
Ich will meinen Augen nicht trauen. Das ist White! Hätte ich doch alles drauf gewettet, ihn nie wieder zu sehen. Wie kann jemand den Sturz aus einem Hubschrauber überleben?
Doch er steht wahrhaftig vor mir. Größer als jemals zuvor. Und diesmal kann er das dunkle in seinen Augen nicht kaschieren. Versucht es noch nicht mal.
Robert tritt nah an meine Seite. Zu nah, weshalb ich vermute, dass auch er diese Augen bemerkt haben dürfte. So erschreckend der Anblick auch immer sein mag, irgendwie bin ich im Moment nicht ganz unglücklich darüber. So stellt sich für meine Begleiter immerhin heraus, dass ich entgegen ihres Dafürhalten doch nicht geisteskrank bin.
Aber am meisten von allen scheint Billy betroffen. Unsicher über seinen nächsten Schritt tritt er seinem Colonel entgegen, nicht ohne mir dabei einen entgeisterten Blick zuzuwerfen.
„Sir!“, salutiert er stramm.
„Wo ist ihre Waffe, Junge?“, meint der Colonel ruhig, ohne mich dabei aus den Augen zu verlieren.
„Sir, wir sind überwältigt worden, Sir!“
„Von wem?“
Billy stutzt für einen Moment, was White ganz und gar nicht zu gefallen scheint.
„Von wem, Captain!?“, faucht er.
„Sir?“
Billy strauchelt. Sollte die Situation doch eigentlich offensichtlich sein, oder nicht? White betrachtet der Reihe nach erst mich - lächelt dabei geringschätzig - dann Robert und zuletzt Kyobpa, bei dessen Anblick sein Lächeln gefriert. Nein, dieser Mann vergisst nicht. Nicht so
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