Nichts
Zuwendung zu anderen Geschöpfen in sorgender Liebe erwächst immer aus der inneren Einsicht. Da ich weiß, dass alles im Kosmos miteinander in Verbindung steht, so bedeutet dies für mich nichts anderes, als das es - keine Grenze gibt zwischen mir und dir und allem anderen. Und ich glaube, dass jede meiner Handlungen, ob sie nun schadet oder hilft, immer auf mich zurückfallen wird. Also was bleibt mir anderes übrig, als alle fühlenden Wesen zu retten!“
Ich denke ihn zu verstehen.
„Verzeih mir bitte die Frage…“, noch bin ich unsicher. „Und… du wirst auch mir helfen?“, frage ich.
„Ich habe es gelobt!“, zweifelt er keine Sekunde.
Ich nicke still und atme dabei tief durch.
Schließe die Augen und versuch abzuschalten. Bilder von Julie und Anny, von Stephan und der Kleinen blitzen auf. Wie alle glücklich tanzen und lachen, in die Luft springen und auf mich zurennen, meinen Namen rufen. Die Augen fangen an zu brennen. Ich versuche es zurückzuhalten doch es gelingt mir nicht. Tränen suchen ihren Weg durch die geschlossenen Lieder hindurch und kitzeln meine Wangen.
Plötzlich spüre ich eine Hand auf meinem Knie. Als ich die Augen öffne, erkenne ich durch den salzigen Schleier hindurch Kyobpa, wie er sich zu mir vorbeugt und die Lippen bewegt:
„Ich habe es gelobt, mein Freund!“
„Wir müssen nur noch einmal tanken!“, meint Robert.
Bei meinem Anblick stutzt er für einen Augenblick.
„Junge, du siehst schlecht aus!“, stellt er überrascht fest, schüttelt mit dem Kopf und greift seinen ursprünglichen Gedanken wieder auf.
„ Tonopah Test Range Airport in Nevada. Zweihundert Meilen nordöstlich von Vegas. Von da aus ist es ein Katzensprung zur Ranch.“, strahlt er über beide Ohren und boxt mir in die Rippen. „Nach Hause, hörst du!?“
Ich nicke.
„Und du denkst, diesmal wird es einfacher?“
„Was?“
„Na, Benzin zu finden! Dieses JP4... und Eimer.“
Er schüttelt genervt den Kopf.
„Also manchmal weiß ich nicht, ob du mich verarschen oder doch lieber den verwirrten Professor raushängen willst. Was für Eimer?“
„Nichts!“, winke ich ab.
„Freust du dich den gar nicht? Mensch, ich sehe heut Abend meine Kinder… und Leann!“
Ich quäle ein Lächeln raus. Hat er Recht? Heute? Verstohlen werfe ich einen Blick auf das Sat-Phone, das in dem Türnetz unterm Fenster auf meiner Seite einen halbwegs sicheren Platz gefunden hat.
Hoffentlich hat er Recht!
Ich rücke etwas zur Seite, um besser rausschauen zu können. Dicht unter uns, keine fünfzig Meter entfernt, donnern braunes Gras, Gestrüpp und verdorrte Bäume vorbei. Über uns, ein schwarzes, tosendes Meer aus blitzenden Gewitterwolken. Ich kann’s nicht mehr ertragen. Will dass dieser Nachtmahr verschwindet. Jetzt. Sofort! Doch überzogene Wünsche werden nicht beachtet. Stattdessen scheint sich nun auch noch der Horizont in dieses bedrohliche Spiel einzumischen.
Verkrampft bohren sich meine Finger in das Sitzpolster unter mir, als ich durch die verkratzte Scheibe hindurch vage zu erkennen glaube, wie eine Monsterwelle – silbern, klar, rein wie geschmolzenes Glas - auf uns zuwütet, den Himmel und die Erde dabei verschlingt, alles vereinnahmt was ihr in die Quere kommt - regelrecht aufsaugt.
Nicht schon wieder!
Sie ist schnell, viel schneller als wir und holt uns jeden Moment ein. Da ergreift sie auch schon unser Heck, dringt in die Kabine ein und lässt den hinteren Teil des Seahawk sofort verglühen. Die Maschine gerät augenblicklich ins wanken. Des Heckrotors beraubt schleudern wir mit brachialer Gewalt um die eigene Achse um dann, wie ein fortgeworfenes Holzscheit, kreiselnd durch die Luft zu wirbeln. Schon erfasst uns die Welle erneut. Diesmal überall. Sie ist ringsum und bricht nun tosend über uns zusammen. Ich klammere mich verzweifelt mit meiner Hand an dieser Verstrebung fest und versuche mit der anderen Robert zu greifen, festzuhalten. Sehe, wie er mit aufgerissenen Augen an mir vorbeigleitet, muss ihn halten. Doch ich greif ins Leere, meine Hand durchdringt seinen Körper wie ein heißes Messer Butter durchtrennt und zerstückelt ihn in zahllos wässrige Teile. Er zerrinnt, löst sich auf, um dann, vor Angst schreiend, in der Gischt zu versinken, sich mit ihr für immer zu vereinigen. Noch bevor ich überhaupt die Gelegenheit einer Reaktion hab, verliere ich selbst
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