Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nichts

Nichts

Titel: Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Louis
Vom Netzwerk:
ich in luziden Emotionen. All meine Sinne tauchen unter, ertrinken in der Weite einer sonderbaren Finsternis. Panisch ringe ich nach Luft, versuche die Oberfläche zu erreichen, suche verzweifelt nach Orientierung. Bemüht irgendwas zu erkennen, erweist sich die lautlose Dünung als einzig reales. Nicht viel, denke ich unruhig, als mich erneut eine dieser Wellen erfasst und mir endgültig den Atem nimmt. Vollständig gefangen von diesem transzendentalem Seim erklingt in weiter Ferne ein Ton. Wie der behutsame Schlag einer Geigensaite.
       Col legno battuto.
       Gefolgt von einer niedrigen Grundfrequenz, die langsam näher kommt um dann wie aus heiterem Himmel in eine melancholisch leidenschaftliche Sinfonie überzugehen. Streicher, Klarinetten, Posaunen, Trompeten, Perkussion, Holzbläser, Violinen. Nach und nach arrangieren sie sich zu einer überwältigen Klangorgie. Die Streicher legen elegisch zu, immer noch einen drauf und ich ahne, wie sie versuchen, sich in meine Seele zu brennen. Ich fühle, wie mein Herz bemüht ist, den Rhythmus einzugehen, mich damit gleichsam in betäubende Schwingungen versetzt und ruft: lass uns gehen! Komm mein Freund, folge mir nach.
    Lass uns gehen. 

Mi. 17. August 2016  10:07 Uhr
    - 0000000:00:001:05:52:31
    Minus 001 Tag : 05 Stunden : 52 Minuten : 31 Sekunden
     
     
     
     
    D ie beiden Turbinen brüllen und versuchen das monotone Knallen der kreisenden Rotorblätter lautstark zu übertönen, was ihnen jedoch nicht zu gelingen scheint. Ich werde vom reißenden Tempo, mit dem wir uns offensichtlich fortbewegen in einen Sitz gepresst. Als ich dies alles registriere, fahre ich hoch und muss nach Luft ringen.
       „Was ist los?“
       „Was soll los sein?“, meint Robert und strahlt mich an. „Schlecht geträumt, was?“
        Irritiert und eilig wandert mein Blick durch die Kabine. Doch hier scheint alles wie gewohnt. Robert, Kyobpa…, McNeely und Billy. Ich kämpfe gegen den Druck der Geschwindigkeit an, quäle mich aus dem Sitz, an Robert vorbei und knie mich auf die Konsole zwischen den Piloten. Beide sind hochkonzentriert damit beschäftigt, die Maschine so tief es geht über’m Boden zu halten, der nur wenige Meter unter uns vorbeiprescht. Als ich aus der Frontscheibe schaue wird mir deutlich warum.
       Diese verfluchte Wolkendecke ist noch tiefer und bedrohlicher als jemals zuvor. Sie wird bald den Boden berühren, soviel scheint klar und ich nehme an, die beiden verspüren keine Lust auszuprobieren, was passiert wenn der SH-60 Bravo in sie hineintaucht. Ich auch nicht, um ehrlich zu sein.
       Als wir in den nächsten Blitz jagen und die Maschine dadurch mehrere Meter auf die Seite geworfen wird, ich mit voller Wucht gegen die Verstrebung donnere, schließe ich die Augen. Nicht aus Angst oder Schmerz oder weil das grelle Licht mich blenden würde, nein. Ich weiß einfach nicht mehr, wer ich bin. Ich weiß nicht mehr, ob ich bin. Das alles hier ist wie ein Film. Es kommt mir vor wie ein schlechtes Theaterstück, dem ich nicht entfliehen kann weil alle Ausgänge vernagelt und mich tausend unsichtbare Hände auf meinem Stuhl festhalten, zum Zuschauen verdammen. Was ist bloß im ODC mit mir geschehen? Ich muss es endlich wissen!
       „Wenn wir beim nächsten Tankstopp genauso viel Glück haben“ schreit Robert mich von der Seite an, „…dann könnten wir heute Abend auf der Ranch sein!“ 
       Ich ignoriere seine Aussage, will nichts wissen. Zu offensichtlich, dass hier was faul ist, also was soll ich fragen. Mein Interesse richtet sich nun, mehr als jemals zuvor, auf den Mann in der roten Kutte. Auf Kyobpa, der meine Gedanken zu lesen scheint, so wie mich seine Augen verfolgen.
       „Erzähl mir mehr von dir!“, bitte ich ihn leise.
       Bei dem tosenden Lärm hier drin kann er mich niemals gehört haben und dennoch – er antwortet.
         „Wie zahlreich auch immer die fühlenden Wesen sein mögen, ich habe gelobt, sie alle zu retten.“
       Auch er flüstert, aber trotzdem kann ich seine Stimme klar und deutlich verstehen. Der ganze Maschinenlärm tritt seltsam konziliant in den Hintergrund, als ob wir beide diesem Akt für einen sakralen Moment entschweben würden.
       „Alle?“, zweifle ich.
       „Alle!“
    „Wie willst du das anstellen?“, frage ich ungläubig.
    „Ich weiß, ihr Menschen könnt es nicht verstehen. Man kann anderen aber erst helfen, wenn man sich selbst befreit hat. Also befreie dich mein Freund. Die

Weitere Kostenlose Bücher