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Nichts

Nichts

Titel: Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Louis
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ich schon sagte. Genau das war der Grund, warum wir einige Tage später unsere Sachen gepackt hatten und nun, seit fast vier Monaten hier draußen sitzen. Vielleicht hielten mich Julie und Anny bis dahin noch für einen gutmütigen Spinner. Doch an jenem Abend saßen sie, wie wohl die meisten, vor dem Fernseher und hatten Mühe, ihren Unterkiefer vom Teppich zu lösen.
    Möglicherweise war meine Kündigung ein weiterer Grund. Freilich hatte sie Julie und mich hart getroffen – auch wenn wir nicht oft darüber sprachen - oder die Begegnung mit dem Jungen, der mir eine über den Schädel gab. Es war wohl die Summe aller Ereignisse die zu einer gewissen Hoffnungslosigkeit führten.
       Jedenfalls war es so, dass ich kein Licht am Ende des Tunnels sah oder schlimmer noch, jemals wieder erwarten würde.
      
    Immerhin war es uns einige Wochen zuvor schon gelungen, Leann zu überreden, sich die Kinder zu schnappen und zu uns nach Chicago zu ziehen. Kurz nach meiner schmerzvollen Geburtstagsfeier löste sie ihren Haushalt in Coal Grove , einer kleinen Stadt in der Nähe von Huntington, West Virginia, etwa sieben Autostunden von uns entfernt, auf. Ich hatte den Eindruck gewonnen, dass ihr mein Angebot - unser Angebot, Julie war davon gleichermaßen beglückt, würde sie doch etwas Abwechslung erwarten - durchaus gelegen kam. Wie auch immer. Mein bestes Argument für einen erneuten Umzug war Boots Rede.
       Nicht nur, dass sie für die meisten Amerikaner, wohl für die meisten Menschen weltweit, völlig unerwartet kam. Gut, die Idee einer Weltregierung war an sich nicht neu, doch bislang eher hypothetisch oder Bestandteil diverser Verschwörungstheorien . Aristoteles, Platon, Kant oder auch Nietzsche trugen sich mit dem Gedanken. Sogar mein ideologischer Mentor Albert Einstein. Aber das es jemals soweit kommen würde, war bislang doch eher ein Hirngespinst.
       Nein, für mich waren die kleinen, leisen Noten aus Boots Rede viel wichtiger als die Verkündigung einer Weltregierung selbst. Keine Ahnung ob es anderen ebenso erging, doch Bemerkungen wie »Aufopferung wäre von Nöten für Männer, Frauen und… Kinder« ließen mich stutzen. Solidarität wird nun offenbar epochaler definiert. Hinzu kam der beiläufige Satz von der Wehmut über das Attentat. Hieß es bislang nicht immer, sein Vorgänger sei von einer seltenen Krankheit aus dem Leben gerissen worden? Aufgrund der eigentlichen Botschaft aber, befasste sich die Öffentlichkeit nicht mit derartigen Quisquilien. Fahrlässig, wie ich denke. Denn, betrachtet man Boots beruflichen Hintergrund als mächtiger Bänker und seine Verbindungen zur Wirtschaft sowie den Auslöser seiner Wahl, dann könnten diverse Zweifel partout angebracht sein.
       Julie und Leann immerhin, teilten meine Meinung.
       Zudem schien es mir undenkbar, dass sich gerade Länder wie China in eine derartig weitreichende Allianz einbinden lassen würden. Alles in allem eine komische Sache, um es vorsichtig zu formulieren. Und so sitzen wir hier und lassen uns, mehr oder weniger freiwillig, die Sonne auf den Pelz brennen.
       Arizona selbst jedenfalls ist ein Glücksfall. Ich hatte das Anwesen zwischen Lake Havasu und Kingman, am Fuße der Hualapai Mountains durch Zufall vor gut fünfzehn Jahren entdeckt. Als gefühlter Cowboy, der ich nun mal bin, begeistert mich der Wilde Westen seit meinem fünften oder sechsten Lebensjahr. Die alten Filme wie Rio Bravo, Der Mann aus Laramie, Cheyenne, Big Jake, Alamo oder Der schwarze Falke , für mich alles Kultfilme schlechthin, ließen mich bis heute nicht los. Und als wir eines Tages von LA Richtung Grand Canyon fuhren, lag der Schauplatz dieser Filme rechts neben uns. Unendliche Weiten. Eine von Kakteen melierte Steppe, karg, rau, trocken. Kurz: unglaublich schön. Als wir dann auch noch an einer staubigen, schiefen Hütte mit dem aufgenagelten Schild Property For Sale vorbei kamen, trat ich mit aller Kraft auf die Bremsen.
       Der Verkäufer, ein wider aller Erwartung recht junger Mann namens Jim Sullivan - seines Zeichens Karpfen - setzte seinen Cowboyhut auf und fuhr uns wortkarg mit seinem weißen – ich denke er ist mal weiß gewesen – sechsundsiebziger Ford Pickup Richtung Süden ins Nirgendwo. Auf einer zerriebenen Sandpiste ertrugen wir, gut zwanzig Minuten zusammengedrängt in der kleinen Fahrerkabine, Schlaglöcher, ausgetrocknete Bachläufe und sengende Hitze.
       „Gibt’s hier Klapperschlangen?“, versuchte ich etwas über die

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