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Nichts

Nichts

Titel: Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Louis
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schräg vor mit auf dem Porch, unserer Holzterrasse steht und stumm an meinen abgenutzten Hemd zurrt.
       „Puh…“, schnaufe ich. „Hast du mich aber erschreckt! Ich glaub fast Opa ist kurz eingeschlafen.“
       „Du Opa?“
       „Ja, mein Süßer?“
       „Sind Schlangen böse?“, fragt er verlegen.
       „Wie kommst du darauf? Hast du eine gesehen?“
       „Nö…“, druckst er rum.
       In diesem Moment höre ich auch schon das Mark und Bein durchdringende Rasseln. Charlize, blitzt es durch meinen Kopf. Sofort springe ich hoch und werfe den kleinen Stephan dabei fast um. Nun bricht es aus ihm heraus und er beginnt zu weinen.
       „Charlize?!“, ruf ich laut und blick dabei in die Richtung, aus der dieses grauenhafte Klappern kommt. Eisiger Schauer durchfährt meinen Körper, tausend Nadeln stechen zeitgleich auf mich ein. Meine Sinne sind schlagartig zum zerreißen gespannt, als ich das kleine Kind neben unserem Wagen unten im Hof ausmache. Mit beiden Händen am Vorderreifen abgestützt, steht sie wackelig in ihrer Windel - und strahlt ihren dummen Opa stolz an. Neben ihr, vielleicht drei oder vier Fuß entfernt, einer dieser klappernden Haufen Scheiße, wie ich die Mojave-Green immer verächtlich nenne. Ich erkenne sie sofort. Ihr subtiles Grün und der dreieckige Kopf rauben einem schon beim bloßen Anblick den Verstand. Beginnt sie dann noch ihre Rassel zu benutzen, gefriert einem das Blut.
       Jim Sullivan du Arschloch!
       Klapperschlangen sind hier so selten wie Sand in den Schuhen!
       „Na?“, rufe ich dem Kind so ruhig wie es geht zu, „…das machst du aber toll!“
       Währenddessen schreite ich vorsichtig in ihre Richtung. Jetzt bitte nicht unsicher werden, Kleine. Noch zehn Meter. Nur noch zehn Meter, dann ist Opa bei dir. Bleib stehen.
       Bitte bleib ganz ruhig stehen.
       Fieberhaft überlege ich, wie man die Situation entschärfen könnte. Mir fällt nichts ein. Der Kopf ist leer. Als ob ich durch gefrierendes Wasser tauchen würde. Der Leib zittert vor Kälte. Brennende Schweißperlen rinnen in meine Augen, doch ich widerstehe dem Drang sie zu schließen. Noch ein weiterer vorsichtiger Schritt. Die giftigste Schlange Nordamerikas unterbricht für einen Moment ihre Warnung. Es scheint, als wolle sie die Situation züngelnd neu einschätzen. Ich bete zu Gott, dass Schlangen ebenso wie viele andere Tiere, so etwas wie einen Welpenschutz kennen. Nein, tun sie nicht. Je kleiner umso besser, befürchte ich. Als sie mich wittert, schlägt sie unmittelbar wieder an, was nun leider die Aufmerksamkeit des Babys erregt.
       „Charlize!“, brüllt Leann, ebenso fassungslos wie erstarrt.
       Stephans weinen hat sie und Julie auf den Plan gerufen. Die beiden Frauen waren in der Küche mit dem kochen beschäftigt, hatten sich dummerweise auf mich als Babysitter verlassen. Als Anny ohne zu überlegen losspringen will, kann Julie sie gerade noch zurückhalten.
       „Nein Anny!“, bestimmt sie. „Nicht! Bleib ruhig. Ganz ruhig!“
       Geistesgegenwärtig versucht sie Charlize sofort abzulenken: „Hallo Cherry! Kannst du aber schön stehen.“ Ein gequältes Lächeln verrät ihre Angst.
       Jetzt allerdings, ob der vielen Eindrücke verwirrt, knicken dem Kind die Beine weg. Wie in Zeitlupe registriere ich diesen Moment, als die kleine Hand sich von dem spröden Gummi des Reifens löst, betulich über die verdreckte Felge gleitet und dadurch ein sanftes S in den Bremsstaub zeichnet. Diffus vernehme ich zeitgleich den unendlichen Schrei meiner Tochter, einer Mutter, die hilflos ihr Trauma durchlebt.
       Während ich mich wie in Trance mit einem wuchtigen Sprung vom Erdboden löse, fährt das Reptil in sich zusammen um für seinen finalen Schlag ausreichend Spannung zu gewinnen. Dafür benötigt sie nicht den Bruchteil einer Sekunde. Umgehend explodiert sie dann wie eine Tellermine und schnellt mit weit aufgerissenem Maul und blitzenden Zähnen ihrem unschuldigen Ziel entgegen.
     

     
    Mit Wucht schlage ich zwischen dem Kind und der Schlange auf und spüre, wie sich ihre Fangzähne sofort in meine Seite bohren. Wie der Faustschlag eines Boxers treffen sie mich. Kurz, hart und wuchtig.
       Gefühlte Stunden vergehen…
      
    Durch den aufgewirbelten Staub kann ich gerade noch erkennen, wie sich die Green eilig davonmacht um in den flachen Büschen Schutz zu suchen. Als ich die völlig verwirrte Charlize greifen und trösten möchte, kommt mir ihre

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