Nick aus der Flasche
silberfarbenen Armaturen, aus denen nun tatsächlich Wasser floss – heiß und kalt!
Ha! Er war der Größte!
Schnell wusch er sich die Füße, trocknete sich mit dem neuen, weichen Frotteehandtuch ab und schlüpfte in sein T-Shirt sowie die Unterhose. Mehr brauchte er zum Schlafen nicht.
Auf der Ablage über dem Waschbecken hatte sich die Plastikzahnbürste in eine echte verwandelt. Nick probierte sie gleich aus, putzte sich ausgiebig die Zähne, genoss das frische Prickeln der Pfefferminzzahnpasta auf der Zunge und musterte sich im Spiegel.
Er sah älter aus, als er in Erinnerung hatte. Sein Haar war länger geworden. Als Flaschengeist hatte er es nie geschnitten.
Wer war er wirklich? Woher kam er? Die Antworten lagen zum Greifen nah. Vielleicht erinnerte er sich, wenn er geschlafen hatte, doch bevor er ins Bett ging, wollte er sein Schlafzimmer noch ein wenig umdekorieren, um so gleich seine neuen Fähigkeiten zu testen.
Er verwandelte das grauenvolle Rosa in ein Grasgrün und stellte das Bett – jetzt nicht mehr pink, sondern aus hellem Holz – auf einen kreisrunden orangebraunen Teppich. Dazu blinzelte er sich noch eine Stehlampe mit bauchigem Lampenschirm.
Perfekt und gemütlich.
Das Untergeschoss würde er sich für morgen aufheben, denn er wollte endlich ins Bett schlüpfen. Er kuschelte sich in die Kissen, die irgendwie nach Julie rochen, und lauschte der Musik. »Miss you …«, sangen die Stones.
Der Song handelte von einem Mann, der für lange Zeit allein war, allein schlafen musste und dessen Liebste die Hauptrolle in seinen Träumen spielte, doch leider unerreichbar war. »I want to kiss you … I miss you …«
Nick glitt immer tiefer in den Schlaf und traf dort erneut jenes blonde Mädchen, das er so sehr vermisste. Emma …
Kapitel 4 – Dämonen der Vergangenheit
»Ich werde dir jeden Tag schreiben«, sagte sie und küsste ihn. »Du fehlst mir jetzt schon.«
Nick hielt Emma fest und genoss, wie sie sich an ihn schmiegte, steckte seine Nase in ihr Haar und nahm einen tiefen Atemzug ihres lieblichen Duftes. »Ich werde dich jedes Wochenende besuchen. Oder du mich, sobald ich eine eigene Wohnung habe.« Und wenn sie beide endlich achtzehn waren, würden sie heiraten. Nick konnte es kaum erwarten. Obwohl er Emma ebenfalls vermissen würde, freute er sich, nicht mehr im Heim wohnen zu müssen. Zwar hatte es ihm hier nicht an Geborgenheit gefehlt und die Zeit war ihm in guter Erinnerung geblieben, jedoch war es etwas völlig anderes, eine eigene Familie zu gründen.
Er lebte schon ewig hier, seit seine Eltern bei einem Autounfall umkamen. Da war er erst drei Jahre alt gewesen. Hier hatte er auch Emma kennengelernt, seinen blonden, blauäugigen Engel, war mit ihr zur Schule gegangen und hatte fast seine gesamte Freizeit mit ihr geteilt. Emma wollte eine Ausbildung zur Kinderpflegerin machen, während Nick mit einem guten Highschoolabschluss in der Tasche nun die ganze Welt offenstand. Zuerst wollte er raus aus New York, daher war er ganz aufgeregt, dass ein Mr. Solomon, der auf Staten Island lebte, ihm einen Job verschaffen wollte. Es war kein Traumberuf, aber ein Anfang.
Mr. Solomon hatte vor zwei Wochen im Heim angerufen und gezielt nach Heimabgängern gefragt, die für seine Firma arbeiten möchten. Nick hatte nicht genau verstanden, worum es ging; er sollte wohl wertvolle Waren verkaufen. Das hörte sich nach viel Geld an. Er hatte zwei Mal mit dem Mann telefoniert und alles klang wunderbar. Er stellte ihm sogar eine Unterkunft zur Verfügung, wenn Nick ihm im Haus half, denn Mr. Solomon war gesundheitlich angeschlagen.
Nick hatte keine Probleme, für ein wenig zusätzliche Arbeit gratis zu wohnen – im Gegenteil. So würde er sich viel Geld sparen und wollte daher mit seinem ersten Einkommen Emma zum Essen ausführen. Und falls der Job nichts für ihn war, konnte er später immer noch mit dem College weitermachen oder einen anderen Beruf erlernen … ach, er wollte so vieles.
»Nimmst du deine Gitarre nicht mit?«, fragte Emma.
»Ich weiß nicht, ob ich bei Mr. Solomon spielen kann. Passt du solange auf sie auf?«
»Ich werde sie hüten wie einen Schatz.« Seine Emma wusste eben, wie viel ihm das Instrument bedeutete. Das Geld dafür hatte er sich mühsam zusammengespart.
Es wurde ein tränenreicher Abschied, weshalb Nick froh war, als er im Bus saß und New York verließ. Viel zu selten war er aus der Stadt gekommen, daher klebte er mit der Nase am Fenster, um jeden Eindruck
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