Nick Perfect – Bruder per Post
Frankreich reisen, damit du deinen Onkel und deinen Bruder kennenlernen kannst.« Ja, auf dem Schrottplatz!
» Wunderbar«, meinte Nick und tupfte sich den Mund mit seiner Serviette ab. » Ich würde Jean-Pierre und meinen Onkel so gerne kennenlernen.« Aber er wirkte irgendwie nervös. Ob er wohl bemerkt hatte, dass wir ihn anlogen? Irrer Gedanke, aber es konnte sein.
•••
Okay, ich weiß, dass ihr euch fragt, wie Nick essen kann und wo das Zeug bleibt. Also, ich erklär’s euch. Nick kaut sein Essen wie wir alle, aber wenn ein bestimmter Level erreicht ist, öffnet sich in seinem Hals ein Ansaugrohr und leitet das gekaute Essen in einen Vorratsbehälter in seinem Hintern.
Ihr habt richtig gehört: in seinem Hintern!
Offenbar lässt sich Nicks Hintern wie eine Schublade herausziehen, damit er leicht zu leeren und zu reinigen ist. Mein Bruder hat einen Hintern zum Rausziehen!
Aber eins will ich gleich klarstellen: Ich werde Nicks Hintern niemals leeren und reinigen! Kein einziges Mal! Es gibt Grenzen.
So, jetzt wisst ihr, was mit dem Essen passiert, das Nick zu sich nimmt. Vielleicht hättet ihr’s lieber nicht gewusst? Zu spät!
30.
Etwa eine Woche lang passierte nichts Aufregendes. Nick brillierte weiter in der Schule, und ich fühlte mich weiterhin wie der » durchschnittliche« ältere Bruder des genialen Überfliegers. Aber größtenteils freute es mich für Nick, dass er so beliebt war und eine Menge Freunde gefunden hatte. Schön für ihn.
Nur einmal in Biologie ärgerte mich Nick total. Mr Chambers überrumpelte uns mit einem Überraschungstest, und Nick murmelte dauernd vor sich hin: » Vier mögliche Lösungen? Es gibt mindestens zwölf…«, und dann murmelte er noch, wahre oder falsche Antworten seien ein » veraltetes kulturrelativistisches Konstrukt«. Hä? Ich saß neben ihm und hörte jedes Wort– das lenkte mich total ab. Als Mr Chambers sagte, die Zeit sei vorbei, hatte ich noch vier Fragen offen. Ich bekam eine Drei, Nick eine Eins. Aber das ist halt so mit einem Bruder, der ein batteriebetriebenes Genie ist.
Zu Hause war Ma ein bisschen netter zu Nick, aber oft ignorierte sie ihn einfach. Wenn sie dann doch mal miteinander sprachen, was selten passierte, waren es meist nur ein paar Worte. Aber Nick schien Mas kühle Art nun etwas besser zu ertragen. Jedenfalls äußerte er mir gegenüber keine Befürchtungen mehr.
Und Pa arbeitete an einem Programm, das Nick daran hindern sollte, ohne Zustimmung eines Familienmitglieds in den Hyper-Roboter-Modus zu gleiten. Allmählich fragte ich mich, ob mein Pa und mein Onkel die beiden nur erfunden hatten, um sich eine Menge Arbeit aufzuladen. Pa war irgendwie nur noch im Labor, wo er Nick entweder reparierte oder an seiner Programmierung arbeitete.
Annie verfolgte uns auf Schritt und Tritt und gestand uns ihre unsterbliche Liebe. Hey, wenigstens konnte ich diese Last jetzt mit jemandem teilen.
Na ja, und so verging… Moment! Etwas Schräges war in dieser Woche doch passiert, entweder am Montag oder Dienstag. Während Nick, Annie und ich auf den Bus warteten, um in die Schule zu fahren, fiel mir auf, dass das Gebäude gegenüber einen neuen Portier hatte. Solange ich denken konnte, war das immer ein älterer Mann gewesen, der eine dunkelgraue Uniform trug. Aber dieser Typ war jünger und in eine kastanienbraun-goldene Uniform gewandet, die eher zu einem Bandleader gepasst hätte als zu einem Portier.
Das Edward hatte also einen neuen Portier. Na toll, dachte ich. Aber gerade, als ich woanders hinschauen wollte, legte der Portier einen kleinen Tanz hin, ein paar Schlenker nach links, ein paar Schlenker nach rechts, als wolle er sich für ein Broadway-Musical bewerben und probe schon mal seinen Auftritt.
Unglaublich!
Dann wurde es noch schräger. Während ich den Tanz des Portiers beobachtete, kam ein Mann den Gehweg entlanggejoggt, in einem blau-weißen Bodysuit, der irgendwie futuristisch aussah– und total bekloppt!–, und glitt zwischen Nick und mich. Er blieb stehen, um auf die Uhr zu sehen, berührte Nicks Schulter und joggte weiter. Unmöglich! Wir sind hier in New York City. Fremde fassen Fremde NIEMALS an. Selbst wenn sie in Flammen stehen.
Ein tanzender Portier. Ein Jogger in einem irren Outfit, der Fremde berührt. Plötzlich hatte ich das eklige Gefühl, alles sei nicht so, wie es aussah, und direkt unter der Oberfläche ginge irgendwas anderes vor sich. Und wie sich herausstellen sollte, hatte ich recht. Aber bei dem Teil
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