Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
Schwierigkeiten.«
Ich wußte, daß ich mich darauf verlassen konnte, daß Kelly den Mund halten würde. Sie hatte sich exakt an meine Anweisungen gehalten, als ich sie unter den Pappkartons zurückgelassen hatte. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, wenn ich behauptete, sie könne bald wieder heim, aber mir fiel kein besseres Mittel ein, sie dazu zu bringen, alles zu tun, was ich sagte. Aber mit etwas Glück würde ich nicht dabeisein, wenn sie schließlich die Wahrheit erfuhr.
Bevor wir das Zimmer verließen, hatte ich noch einige Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Ich griff nach dem linken unteren Zipfel meiner Bettdecke und schlug ihn genau diagonal zurück. Dann riß ich ein Streichholz aus dem Zündholzbriefchen, das ich an der Rezeption mitgenommen hatte, und klemmte es zwischen die Wand und die lange Kommode, auf der unser Fernseher stand. Ich markierte eine Stelle an der Wand mit einem winzigen Kugelschreiberpunkt und bedeckte sie mit dem Streichholzkopf. Zuletzt legte ich die Büroklammer in eine der Schubladen unter dem Fernseher und drehte das Gerät ein kleines bißchen lauter.
Dann überzeugte ich mich mit einem kurzen Blick in die Runde davon, daß nichts Kompromittierendes liegengeblieben war; ich legte sogar die Gelben Seiten in die Schreibtischschublade zurück. Meine Pistole lag noch immer im Spülkasten, aber dort war sie vorläufig sicher, denn das Zimmermädchen hatte keinen Grund, hier hereinzukommen - und ein Polizeibeamter mit einem Durchsuchungsbefehl erst recht nicht.
Ich steckte zwei Äpfel und ein paar Schokoriegel in die Tasche des blauen dreiviertellangen Mantels, den ich für mich gekauft hatte. Dann schloß ich ab, überzeugte mich davon, daß das Schild an der Tür hing, und nahm Kelly an der Hand.
Wir leisteten uns ein Taxi nach Georgetown. Natürlich wäre es billiger gewesen, mit einem Bus oder der Metro zu fahren, aber so bekamen uns unterwegs weniger Fahrgäste oder Fußgänger zu Gesicht. Unser Taxifahrer war ein Nigerianer. Der Stadtplan auf dem Beifahrersitz neben ihm wirkte nicht sonderlich vertrauenerweckend, und die Englischkenntnisse des Manns waren sehr beschränkt. Er fragte mich radebrechend, wo Georgetown liege. Das kam mir so vor, als frage ein Londoner Taxifahrer nach Chelsea. Anhand des Stadtplans erklärte ich ihm geduldig, wie er fahren mußte. Ich rechnete mit ungefähr einer halben Stunde Fahrzeit.
Unterwegs begann es zu nieseln - nicht genug, um die Scheibenwischer laufen zu lassen, aber doch so stark, daß er sie gelegentlich einschalten mußte. Kelly mampfte einen Apfel und sah aus dem Fenster. Ich hielt Ausschau nach anderen Motels. Vielleicht würden wir bald wieder umziehen müssen.
Wir saßen einige Minuten lang schweigend nebeneinander, bis mir einfiel, daß der Fahrer erwarten würde, uns reden zu hören. »In deinem Alter bin ich noch kein einziges Mal mit einem Taxi gefahren«, erzählte ich. »Meine erste Taxifahrt habe ich mit fünfzehn gemacht, glaube ich.«
Kelly betrachtete mich erstaunt. »Du hast Taxis wohl nicht gemocht?«
»Nein, wir haben bloß nicht viel Geld gehabt. Mein Stiefvater ist meistens arbeitslos gewesen.«
Sie starrte mich stirnrunzelnd an. Dann wandte sie sich ab und sah wieder aus ihrem Fenster.
Vor der Key Bridge staute sich der Verkehr. Georgetown lag gleich gegenüber auf dem anderen Ufer des Potomac River, so daß wir schneller dort gewesen wären, wenn wir ausgestiegen und zu Fuß gegangen wären, aber es war klüger, sich nicht zu viel auf der Straße zu zeigen. Kellys Gesicht würde in allen Zeitungen und vielleicht sogar auf Fahndungsplakaten abgebildet sein. Die Polizei würde mit Hochdruck nach ihr und ihrem Entführer fahnden.
Ich beugte mich über die Lehne des Beifahrersitzes, griff nach dem Stadtplan und dirigierte den Taxifahrer zur Wisconsin Avenue, der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Hauptverkehrsstraße. Ich hatte Georgetown als beinahe selbständigen Stadtteil in Erinnerung - mit vornehmen, hübschen Stadthäusern, die in San Francisco hätten stehen können. Die unebenen Gehsteige waren aus roten Ziegeln, und praktisch jeder am Randstein parkende Wagen schien ein BMW, Volvo, Mercedes, Golf GTI oder Discovery zu sein. An allen Häusern und Geschäften prangte ein Schild, das verkündete, dieses Gebäude werde von einem Sicherheitsdienst überwacht.
Versuchte man dort einzubrechen, hatte man eine Schnelle Eingreiftruppe im Genick, bevor man auch nur dazu kam, den Stecker des Videorecorders
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