Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
angezogen. Ihre Bluse war schief zugeknöpft;
während ich das in Ordnung brachte, merkte ich, daß sie mich mißbilligend begutachtete.
»Was gibt’s?«
»Deine Jeans sind schlimm. Du solltest dir wie Daddy Fünfhunderteinser kaufen.«
Als ob ich nicht schon genügend Probleme gehabt hätte, war jetzt die Modepolizei hinter mir her. »In meiner Größe gibt’s keine Fünfhunderteinser«, fuhr sie fort. »Jedenfalls behauptet Mommy das. Sie trägt keine Jeans; sie ist wie Aida - sie mag Röcke und Kleider.«
Ich mußte sofort wieder daran denken, wie Marsha vor ihrem Bett gekniet hatte. Ich wandte mich ab, damit Kelly mein Gesicht nicht sah.
Dann machte ich mich daran, ihr die Haare zu bürsten. Das war eine noch ungewohnte Aufgabe, die ich nicht wirklich beherrschte, und die Bürste verfing sich ständig und riß an ihren Haaren. Kelly schrie mehrmals auf und hielt meine Hand fest. Zuletzt gab ich ihr die Bürste, damit sie selbst weitermachen konnte.
Während sie das tat, saß ich auf der Bettkante und fragte: »Hör zu, kennst du Daddys Spezialcode für sein Telefon? Ich kann ihn nicht rauskriegen, obwohl ich schon alles versucht habe. Ich habe eins-eins-eins-eins, zwei-zwei-zwei-zwei und alle möglichen anderen Zahlen gedrückt, aber keine funktioniert. Weißt du, welche Zahlen man eintippen muß?«
Sie hörte mit dem Bürsten auf und starrte mich sekundenlang an, dann nickte sie.
»Toll! Welche Zahlen muß man also eingeben?«
Kelly gab keine Antwort. Sie schien angestrengt zu überlegen. Wahrscheinlich fragte sie sich, ob sie ihren Daddy hinterging, wenn sie mir die Zahlen sagte.
Ich zog das Mobiltelefon aus der Tasche, schaltete es ein und sagte: »Siehst du, hier steht: >Bitte PIN eingeben. < Weißt du, welche Nummer dein Daddy eingibt?«
Als sie nickte, forderte ich sie auf: »Okay, dann zeig mir, wie’s gemacht wird.« Sie drückte auf die Tasten und beobachtete dabei ihre Finger.
»Eins-neun-neun-null?« fragte ich.
»Mein Geburtsjahr«, sagte sie mit strahlendem Lächeln und bürstete weiter ihre Haare.
Nun waren wir im Geschäft. Ich holte die Gelben Seiten aus der Schreibtischschublade und setzte mich damit auf die Bettkante.
»Was suchst du?« fragte Kelly, während sie gleichmäßig weiterbürstete.
»Ein Restaurant, das >Good Fellas< heißt«, antwortete ich. Ich fand die Adresse. »Wir fahren dorthin und suchen Pat.«
Ich überlegte, ob ich das Restaurant anrufen und nach ihm fragen sollte, aber am Telefon würde ich bestimmt nur abgewimmelt werden. Außerdem konnte der Anruf eine Kette von Ereignissen auslösen, von denen ich nichts wußte, bis wir beide geschnappt wurden. Es war besser, selbst hinzufahren.
Sie kicherte, als ich meine Brille aufsetzte. Ich nahm ihren Mantel vom Bügel und half ihr hinein. Als sie sich dann umdrehte, sah ich, daß an ihren Jeans noch das Etikett hing. Ich riß es ab und überzeugte mich davon, daß sonst alles in Ordnung war - wie irgendein altmodischer Vater, der mit seiner Tochter in die Stadt fahren will.
Ich zog meine Jacke an, kontrollierte, ob ich Magazine und Mobiltelefon eingesteckt hatte, und fragte Kelly: »Erinnerst du dich an Pat?«
»Nein. Wer ist sie?«
»Nicht sie, sondern ein Mann namens Patrick. Hat er Daddy vielleicht mal besucht?«
»Bringt Pat mich nach Hause?«
»Du darfst bald wieder heim, Kelly. Aber erst, wenn’s Daddy wieder bessergeht und du ein braves Mädchen bist und tust, was ich dir sage.«
Sie machte ein langes Gesicht. »Bin ich bis Samstag wieder zu Hause? Da gibt Melissa ihre Party, und wir übernachten alle bei ihr, und ich muß unbedingt dasein.«
Ich redete einfach weiter. Mir blieb nichts anderes übrig. Ich war außerstande, Kelly abzulenken und auf andere Gedanken zu bringen.
»Pat hat euch bestimmt mal besucht. Du erinnerst dich doch an Pat?«
»Und ich muß noch ein Geschenk für sie kaufen. Ich habe ein paar Freundschaftsarmbänder für sie geflochten, aber ich will ihr noch etwas kaufen.«
»Nun, wir versuchen heute, Pat zu finden, weil er uns helfen soll, dich heimzubringen. Vielleicht haben wir auch noch Zeit für deine Einkäufe, okay?«
»Wo ist Pat?«
»Ich glaube, daß er vielleicht in dem Restaurant ist. Aber solange wir dort sind, mußt du ganz still sein und darfst mit keinem Menschen reden. Spricht jemand dich an, nickst du nur oder schüttelst den Kopf, okay? Wir müssen wirklich vorsichtig sein, sonst erzählen sie uns nicht, wo Pat ist, und wir bekommen womöglich
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